(zuletzt bearbeitet am 11.09.2021)
Privatkunden, die ihren Pkw bei der Volkswagen-Bank und der Skoda-Bank finanziert oder ihre Fahrzeuge dort geleast haben, können diese Verträge aufgrund der neuen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 09.09.2021 auch Jahre nach Vertragsabschluss erfolgreich widerrufen. Die Folge ist, dass die Bank bzw. der Händler das Fahrzeug zurücknehmen müssen.
Autokredite der Volkswagen- und Skoda-Bank können daher mit großen Vorteilen für den Käufer auch noch im Jahr 2021 widerrufen und rückabgewickelt werden: Die finanzierende Bank muss dann den Pkw zurücknehmen und kann vom Käufer allenfalls linearen Wertersatz für die gefahrenen Kilometer beanspruchen. Mit anderen Worten: Den hohen Wertverlust der ersten Lebensjahre eines Fahrzeuges tragen die Banken und nicht der Käufer. Bei finanzierten Verträgen ist der Widerruf des Darlehens der einfachere und günstigere Weg, sich von einem Autokauf wieder zu lösen, als Schadensersatz wegen erhöhter Abgaswerte (Stichwort: Abgasskandal) zu fordern.
Wir wollen Ihnen an dieser Stelle Ihre Rechte als Verbraucher ausführlich, aber trotzdem leicht verständlich erläutern:
Die Volkswagen-Bank und die Skoda-Bank haben ihre Kunden über Jahre nicht zutreffend über die gesetzlichen Pflichtangaben aufgeklärt.
Moniert wurden vom EuGH zunächst die Klausel mit dem Wortlaut:
„Nach einer Vertragskündigung werden wir Ihnen den gesetzlichen Verzugszinssatz in Rechnung stellen. Der jährliche Verzugszinssatz beträgt 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz.“
In dem Formblatt "Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite“ hieß es ferner:
„Der jährliche Verzugszinssatz beträgt 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz. Der Basiszinssatz wird von der Deutschen Bundesbank ermittelt und jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres festgesetzt.“
Zur sog. Vorfälligkeitsentschädigung enthielt der Darlehensvertrag folgende Klausel:
Für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden kann die Bank eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung verlangen. Den Schaden wird die Bank nach den vom Bundesgerichtshof vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen berechnen, die insbesondere:
– ein zwischenzeitlich verändertes Zinsniveau,
– die für das Darlehen ursprünglich vereinbarten Zahlungsströme,
– den der Bank entgangenen Gewinn,
– den mit der vorzeitigen Rückzahlung verbundenen Verwaltungsaufwand (Bearbeitungsentgelt) sowie
– die infolge der vorzeitigen Rückzahlung ersparten Risiko- und Verwaltungskosten berücksichtigen.“
Der EuGH hat nunmehr klargestellt, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass in dem Kreditvertrag der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags geltende Satz der Verzugszinsen in Form eines konkreten Prozentsatzes anzugeben und der Mechanismus der Anpassung des Verzugszinssatzes konkret zu beschreiben ist. Haben die Parteien des betreffenden Kreditvertrags vereinbart, dass der Verzugszinssatz nach Maßgabe des von der Zentralbank eines Mitgliedstaats festgelegten und in einem für jedermann leicht zugänglichen Amtsblatt bekannt gegebenen Änderung des Basiszinssatzes geändert wird, reicht ein Verweis im Kreditvertrag auf diesen Basiszinssatz aus, sofern die Methode zur Berechnung des Satzes der Verzugszinsen nach Maßgabe des Basiszinssatzes in diesem Vertrag beschrieben wird. Insoweit sind zwei Voraussetzungen zu beachten: Erstens muss die Darstellung dieser Berechnungsmethode für einen Durchschnittsverbraucher, der nicht über Fachkenntnisse im Finanzbereich verfügt, leicht verständlich sein und es ihm ermöglichen, den Verzugszinssatz auf der Grundlage der Angaben im Kreditvertrag zu berechnen. Zweitens muss auch die Häufigkeit der Änderung dieses Basiszinssatzes, die sich nach den nationalen Bestimmungen richtet, in dem fraglichen Kreditvertrag angegeben werden.
Ferner hat der EuGH am 09.09.2021 klargestellt, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. r der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass im Kreditvertrag die Methode für die Berechnung der bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens fälligen Entschädigung in einer konkreten und für einen Durchschnittsverbraucher leicht nachvollziehbaren Weise anzugeben ist, so dass dieser die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung anhand der in diesem Vertrag erteilten Informationen bestimmen kann.
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Das Landgericht Ravensburg hat mit Urteil vom 23.08.2022 (Aktenzeichen: 2 O 212/21) einem Verbraucher ermöglicht, ein 2016 finanzierten Hyundai i30 wegen Widerrufs des Darlehensvertrages zurückzugeben. Der Kläger schuldet der Bank Anspruch auf Wertersatz für den eingetretenen Wertverlust, soweit dieser auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise des Fahrzeugs nicht notwendig war.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger schloss mit der beklagten Bank am 22.03.2016 einen Darlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag von 9.402,- €, der zweckgebunden dem Kauf eines Kraftfahrzeugs Hyundai i30 zur privaten Nutzung diente. Der Kaufpreis belief sich auf einen Betrag von 14.280,- €. Der Kläger leistete eine Anzahlung von 5.280,- € an die Verkäuferin und finanzierte den restlichen Betrag von 9.000,- € und eine Restschuldversicherungsprämie von 402,- € über das vorgenannte Darlehen. Die Beklagte bediente sich bei Vorbereitung und Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung der Verkäuferin als Darlehensvermittlerin. Vereinbart wurde im Darlehensvertrag weiter, dass der Kläger die Darlehenssumme von 9.836,87 € (Nettodarlehensbetrag von 9.402,- € zuzüglich Zinsen von 434,87 €) ab 15.05.2016 mittels einer Rate von 246,87 und 35 gleichbleibenden Monatsraten in Höhe von jeweils 274,- € zurückzuzahlen hat. Der Kläger hat sämtliche vorgenannten Ratenzahlungen erbracht.
Mit Schreiben vom 01.03.2021 widerrief der Kläger seine auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung.
Mit Urteil vom 02.11.2021 (Aktenzeichen: 6 U 32/19) hat das Oberlandesgericht Stuttgart als erstes Obergericht in Deutschland die neue Rechtsprechung des EuGH in dessen Urteil vom 09.09.2021 angewendet und ein erstinstanzliches klageabweisendes Urteil gegen einen Verbraucher aufgehoben.
Dem Urteil des OLG Stuttgart lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Aufgrund des Antrags der Klägerin vom 24.7.2014 kam mit der beklagten Bank ein Darlehensvertrag zustande. Der Nettodarlehensbetrag in Höhe von 28.900,00 € diente der Klägerin zur teilweisen Finanzierung des Kaufs eines Fahrzeugs der Marke M. bei der T. GmbH zu einem Preis von 41.400,00 €. Den nicht finanzierten Teil des Kaufpreises (12.500,00 €) leistete die Klägerin als Anzahlung an die Verkäuferin. Vor Ende der Laufzeit erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 4.7.2018 den Widerruf ihrer Vertragserklärung.
Der Darlehensvertrag wurde im Juli 2018 widerrufen.
Neuer Paukenschlag aus Luxemburg: Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 09.09.2021 (verbundene Rechtssache: C-33/20, C-155/20 und C-187/20) die Rechte von Verbrauchern erneut gestärkt. Verbraucherkreditverträge müssen bezüglich Verzugszinsen und Vorfälligkeitszinsen für die Kunden transparent und leicht nachvollziehbar sein. Begünstigt von der neuen Rechtsprechung sind insbesondere Autokredite sowie sog. allgemeine Konsumtendarlehen. Geklagte wurde gegen die Volkswagen-Bank, die Skoda-Bank sowie die BMW-Bank.
Die Reaktionen auf das Urteil sind enthusiastisch. So wird Christoph Herrmann von der Stiftung Warentest auf Welt.de wie folgt zitiert: „Die meisten [Verbraucher] können jetzt ihre alten Kreditverträge widerrufen, auch wenn seit Vertragsabschluss schon viele Jahre vergangen sind“, Dadurch könne zum Beispiel die Restschuld sinken, was unter anderem daran liege, dass Entgelte oder auch Verzugszinsen wegfielen.
Bereits die Schlussanträge des Generalanwaltes beim EuGH, Gerard Hogan, am 15.07.2021 hatten es in sich. Dieser hatte deutlich gemacht, dass der Durchschnittsverbraucher nicht über die Sachkenntnis eines Finanzfachmanns verfügt. Daher müssten die Verträge so gestaltet sein, dass sie für ihn verständlich sind. Dem hat sich der EuGH nun angeschlossen.
Der Generalanwalt beim EuGH, Gerard Hogan, hat in der verbundenen Rechtssache C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20 seine Schlussanträge gestellt. Auf Vorlage des Landgerichts Ravensburg muss sich der EuGH erneut mit dem Umfang des Verbraucherschutzes beim Widerruf von Darlehensverträgen beschäftigen. Den Volltext der Schlussanträge finden Sie hier:
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
GERARD HOGAN
vom 15. Juli 2021(1)
Verbundene Rechtssachen C‑33/20, C‑155/20 und C‑187/20
UK
gegen
Volkswagen Bank GmbH (C‑33/20)
und
RT,
SV,
BC
gegen
Volkswagen Bank GmbH,
Skoda Bank, Tochtergesellschaft der Volkswagen Bank GmbH (C‑155/20)
und
JL,
DT
gegen
BMW Bank GmbH,
Volkswagen Bank GmbH (C‑187/20)
(Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Ravensburg [Deutschland])
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Verbraucherkredit – Richtlinie 2008/48/EG – Art. 10 Abs. 2 – Anforderungen an die im Vertrag zu erteilenden Angaben – Verzugszinssatz – Art. 14 – Recht zur Kündigung“
I. Einleitung
1. Die vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen betreffen im Wesentlichen die Pflichten von Kreditinstituten, dem Verbraucher bestimmte Informationen über Kreditbedingungen zur Verfügung zu stellen, und die Folgen für den Fall, dass sie nicht erteilt wurden. Die Vorabentscheidungsersuchen haben alle einen weitgehend ähnlichen tatsächlichen Hintergrund insoweit, als sie die zutreffende Auslegung von Art. 10 Abs. 2 Buchst. a, d, l, r, s und t sowie von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66) betreffen.
2. Die vorliegenden Ersuchen sind vom Landgericht Ravensburg (Deutschland) im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen verschiedenen Verbrauchern und Autokreditunternehmen über die Wirksamkeit der von diesen Verbrauchern eingereichten Widerrufserklärungen vorgelegt worden. Diese Erklärungen gingen zwar alle lange nach Ablauf der in Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2008/48 vorgesehenen Frist von 14 Tagen ab Unterzeichnung des Kreditvertrags ein, die betroffenen Verbraucher sehen sich zu ihrem Schritt jedoch als berechtigt an, weil diese Verträge nicht alle nach Art. 10 dieser Richtlinie erforderlichen Angaben enthalten hätten. In den vorliegenden Rechtssachen geht es somit um die schwierige – aber wesentliche – Frage nach dem Grad an Genauigkeit der nach Art. 10 erforderlich Angaben im Vertrag sowie um die damit zusammenhängende Frage, wie die nationalen Gerichte damit umzugehen haben, wenn Verbraucher versuchen, sich zu ihren Gunsten auf möglicherweise unzureichende Angaben zu berufen(2). Bevor auf diese Fragen einzugehen ist, sind jedoch zunächst die einschlägigen Rechtsvorschriften darzustellen.
II. Rechtlicher Rahmen
A. Unionsrecht
3. In den Erwägungsgründen 4 bis 9, 18, 19, 30, 31 und 35 der Richtlinie 2008/48 heißt es:
„(4) In einigen Fällen, in denen Mitgliedstaaten verschiedene zwingende Rechtsvorschriften erlassen haben, die strenger sind als die Bestimmungen der Richtlinie 87/102/EWG [des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (ABl. 1987, L 42, S. 48)], führt die sich aus [den] nationalen Unterschieden [zwischen den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Vergabe von Krediten an natürliche Personen] ergebende Sach- und Rechtslage zum einen zu Verzerrungen im Wettbewerb der Kreditgeber in der Gemeinschaft und behindert den Binnenmarkt. Sie schränkt zum anderen die Möglichkeiten der Verbraucher ein, das stetig zunehmende Angebot an grenzüberschreitenden Verbraucherkrediten unmittelbar zu nutzen. Diese Verzerrungen und Einschränkungen können wiederum Folgen für die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen haben.
(5) In den letzten Jahren hat sich bei den Kreditformen, die Verbrauchern angeboten und von ihnen in Anspruch genommen werden, vieles geändert. Es gibt heute neue Kreditinstrumente, die immer stärkere Verwendung finden. Deshalb ist es zweckmäßig, die geltenden Bestimmungen zu ändern und gegebenenfalls ihren Geltungsbereich auszudehnen.
(6) Gemäß dem Vertrag umfasst der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren und Dienstleistungen sowie die Niederlassungsfreiheit gewährleistet sind. Die Entwicklung eines transparenteren und effizienteren Kreditmarkts innerhalb dieses Raums ohne Binnengrenzen ist für die Förderung grenzüberschreitender Geschäftstätigkeiten von entscheidender Bedeutung.
(7) Um die Entwicklung eines reibungslos funktionierenden Binnenmarkts bei Verbraucherkrediten zu erleichtern, muss in einigen Schlüsselbereichen ein harmonisierter gemeinschaftsrechtlicher Rahmen geschaffen werden. Im Hinblick auf die permanente Weiterentwicklung des Marktes für Verbraucherkredite und die zunehmende Mobilität der europäischen Bürger kann ein zukunftsweisendes Gemeinschaftsrecht, das sich künftigen Kreditformen anpassen kann und das den Mitgliedstaaten einen angemessenen Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung lässt, zu einem modernen Verbraucherkreditrecht beitragen.
(8) Zur Sicherung des Vertrauens der Verbraucher ist es wichtig, dass der Markt ein ausreichendes Verbraucherschutzniveau bietet. Auf diese Weise sollte der freie Verkehr von Kreditangeboten unter den bestmöglichen Bedingungen für Kreditanbieter wie auch für Kreditnehmer unter gebührender Berücksichtigung der Besonderheiten in den einzelnen Mitgliedstaaten stattfinden können.
(9) Eine vollständige Harmonisierung ist notwendig, um allen Verbrauchern in der Gemeinschaft ein hohes und vergleichbares Maß an Schutz ihrer Interessen zu gewährleisten und um einen echten Binnenmarkt zu schaffen. Den Mitgliedstaaten sollte es deshalb nicht erlaubt sein, von dieser Richtlinie abweichende innerstaatliche Bestimmungen beizubehalten oder einzuführen. Diese Einschränkung sollte jedoch nur in den Fällen gelten, in denen Vorschriften durch diese Richtlinie harmonisiert werden. Soweit es keine solchen harmonisierten Vorschriften gibt, sollte es den Mitgliedstaaten freigestellt bleiben, innerstaatliche Rechtsvorschriften beizubehalten oder einzuführen. Dementsprechend können die Mitgliedstaaten beispielsweise innerstaatliche Rechtsvorschriften über die gesamtschuldnerische Haftung des Verkäufers oder Dienstleistungserbringers und des Kreditgebers beibehalten oder einführen. Ein weiteres Beispiel für diese Möglichkeit könnte sein, dass die Mitgliedstaaten innerstaatliche Rechtsvorschriften über die Aufhebung eines Kauf- oder Dienstleistungsvertrags für den Fall beibehalten oder einführen, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht von dem Kreditvertrag ausübt. In dieser Hinsicht sollte es den Mitgliedstaaten im Falle von unbefristeten Kreditverträgen gestattet sein, einen Mindestzeitraum zwischen dem Zeitpunkt, zu dem der Kreditgeber die Rückzahlung verlangt, und dem Termin, zu dem der Kredit zurückgezahlt sein muss, festzulegen.
…
(18) … Dennoch ist es angebracht, in dieser Richtlinie besondere Bestimmungen für die Werbung für Kreditverträge und über bestimmte Standardinformationen vorzusehen, die die Verbraucher erhalten sollten, damit sie insbesondere verschiedene Angebote miteinander vergleichen können. Diese Informationen sollten in klarer, prägnant gefasster Form an optisch hervorgehobener Stelle durch ein repräsentatives Beispiel erteilt werden. …
(19) Damit der Verbraucher in voller Sachkenntnis entscheiden kann, sollten ihm vor dem Abschluss des Kreditvertrags ausreichende Informationen über die Bedingungen und Kosten des Kredits sowie über die Verpflichtungen, die er mit dem Vertrag eingeht, gegeben werden, die er mitnehmen und prüfen kann. Im Interesse einer größtmöglichen Transparenz und Vergleichbarkeit der Angebote sollten diese Informationen sich insbesondere auf den effektiven Jahreszins beziehen, der innerhalb der gesamten Gemeinschaft auf die gleiche Art zu berechnen ist. …
…
(30) Diese Richtlinie regelt nicht Aspekte des Vertragsrechts, die die Wirksamkeit von Kreditverträgen betreffen. Daher können die Mitgliedstaaten in diesem Bereich mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang stehende innerstaatliche Bestimmungen beibehalten oder einführen. …
(31) Alle notwendigen Informationen über die Rechte und Pflichten, die sich für den Verbraucher aus dem Kreditvertrag ergeben, sollten in klarer, prägnanter Form im Kreditvertrag enthalten sein, damit der Verbraucher diese zur Kenntnis nehmen kann.
…
(35) Tritt ein Verbraucher von einem Kreditvertrag, aufgrund dessen er Waren erhalten hat, zurück und handelt es sich dabei insbesondere um einen Ratenkauf oder einen Miet- oder Leasingvertrag, nach dem eine Verpflichtung zum Erwerb besteht, so sollte diese Richtlinie unbeschadet anderer Vorschriften der Mitgliedstaaten gelten, die die Rückgabe der Waren oder damit zusammenhängende Fragen regeln.“
4. Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie bestimmt:
„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
…
n) ‚verbundener Kreditvertrag‘ einen Kreditvertrag, bei dem
i) der betreffende Kredit ausschließlich der Finanzierung eines Vertrags über Lieferung bestimmter Waren oder die Erbringung einer bestimmten Dienstleistung dient und
ii) diese beiden Verträge objektiv betrachtet eine wirtschaftliche Einheit bilden; von einer wirtschaftlichen Einheit ist auszugehen, wenn der Warenlieferant oder der Dienstleistungserbringer den Kredit zugunsten des Verbrauchers finanziert oder wenn sich der Kreditgeber im Falle der Finanzierung durch einen Dritten bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Kreditvertrags der Mitwirkung des Warenlieferanten oder des Dienstleistungserbringers bedient oder wenn im Kreditvertrag ausdrücklich die spezifischen Waren oder die Erbringung einer spezifischen Dienstleistung angegeben sind.“
5. Art. 5 („Vorvertragliche Informationen“) der Richtlinie 2008/48 bestimmt:
„(1) Rechtzeitig bevor der Verbraucher durch einen Kreditvertrag oder ein Angebot gebunden ist, gibt der Kreditgeber und gegebenenfalls der Kreditvermittler dem Verbraucher auf der Grundlage der vom Kreditgeber angebotenen Kreditbedingungen und gegebenenfalls der vom Verbraucher geäußerten Präferenzen und vorgelegten Auskünfte die Information, die der Verbraucher benötigt, um verschiedene Angebote zu vergleichen und eine fundierte Entscheidung darüber zu treffen, ob er einen Kreditvertrag schließen will. Diese Informationen werden auf Papier oder einem anderen dauerhaften Datenträger mittels des Formulars ‚Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite‘ in Anhang II mitgeteilt. Die Informationspflichten des Kreditgebers nach diesem Absatz und nach Artikel 3 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 2002/65/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG (ABl. 2002, L 271, S. 16)] gelten als erfüllt, wenn er das Formular ‚Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite‘ vorgelegt hat.
(2) Diese Informationen müssen Folgendes erläutern:
…
l) den anwendbaren Satz der Verzugszinsen und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung sowie gegebenenfalls anfallende Verzugskosten;
…“
6. Art. 10 („Zwingende Angaben in Kreditverträgen“) dieser Richtlinie sieht vor:
„(1) Kreditverträge werden auf Papier oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger erstellt.
Alle Vertragsparteien erhalten eine Ausfertigung des Kreditvertrags. Innerstaatliche Vorschriften über die Gültigkeit des Abschlusses von Kreditverträgen, die mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang stehen, bleiben unberührt.
(2) Im Kreditvertrag ist in klarer, prägnanter Form Folgendes anzugeben:
…
l) der Satz der Verzugszinsen gemäß der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrags geltenden Regelung und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung sowie gegebenenfalls anfallende Verzugskosten;
…
t) die Angabe, ob der Verbraucher Zugang zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren hat, und gegebenenfalls die Voraussetzungen für diesen Zugang;
…“
7. Art. 14 („Widerrufsrecht“) der Richtlinie 2008/48 lautet:
„(1) Der Verbraucher kann innerhalb von vierzehn Kalendertagen ohne Angabe von Gründen den Kreditvertrag widerrufen.
Diese Widerrufsfrist beginnt
a) entweder am Tag des Abschlusses des Kreditvertrags oder
b) an dem Tag, an dem der Verbraucher die Vertragsbedingungen und die Informationen gemäß Artikel 10 erhält, sofern dieser nach dem in Buchstabe a des vorliegenden Unterabsatzes genannten Datum liegt.
…
(3) Übt der Verbraucher sein Widerrufsrecht aus, so
…
b) zahlt er dem Kreditgeber unverzüglich, spätestens jedoch binnen 30 Kalendertagen nach Absendung der Widerrufserklärung an den Kreditgeber das Darlehen einschließlich der ab dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Kredits bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung des Darlehens aufgelaufenen Zinsen zurück. Die Zinsen sind auf der Grundlage des vereinbarten Sollzinssatzes zu berechnen. Der Kreditgeber hat im Falle des Widerrufs keinen Anspruch auf weitere vom Verbraucher zu leistende Entschädigungen, mit Ausnahme von Entschädigungen für Entgelte, die der Kreditgeber an Behörden entrichtet hat und nicht zurückverlangen kann.“
8. Art. 15 („Verbundene Kreditverträge“) Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:
„Hat der Verbraucher ein Recht auf Widerruf von einem Vertrag über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen ausgeübt, das auf Gemeinschaftsrecht beruht, so ist er an einen damit verbundenen Kreditvertrag nicht mehr gebunden.“
9. Art. 22 („Harmonisierung und Unabdingbarkeit dieser Richtlinie“) Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 bestimmt:
„Soweit diese Richtlinie harmonisierte Vorschriften enthält, dürfen die Mitgliedstaaten keine Bestimmungen in ihrem innerstaatlichen Recht aufrechterhalten oder einführen, die von den Bestimmungen dieser Richtlinie abweichen.“
B. Deutsches Recht
10. Art. 247 („Informationspflichten bei Verbraucherdarlehensverträgen, entgeltlichen Finanzierungshilfen und Darlehensvermittlungsverträgen“) §§ 3 bis 7 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 21. September 1994 (BGBl. 1994 I, S. 2494, und Berichtigung BGBl. 1997 I, S. 1061) in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: EGBGB) bestimmt:
„§ 3 Inhalt der vorvertraglichen Information
(1) Die Unterrichtung vor Vertragsschluss muss folgende Informationen enthalten:
…
2. die Art des Darlehens,
…
9. die Auszahlungsbedingungen,
…
11. den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung sowie gegebenenfalls anfallende Verzugskosten,
…
§ 6 Vertragsinhalt
(1) Der Verbraucherdarlehensvertrag muss klar und verständlich folgende Angaben enthalten:
1. die in § 3 Abs. 1 Nrn. 1 bis 14 und Abs. 4 genannten Angaben,
…
5. das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrags,
…
§ 7 Weitere Angaben im Vertrag
Der Verbraucherdarlehensvertrag muss klar und verständlich folgende Angaben enthalten, soweit sie für den Vertrag bedeutsam sind:
…
3. die Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, soweit der Darlehensgeber beabsichtigt, diesen Anspruch geltend zu machen, falls der Darlehensnehmer das Darlehen vorzeitig zurückzahlt,
4. den Zugang des Darlehensnehmers zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren und gegebenenfalls die Voraussetzungen für diesen Zugang.“
11. § 247 („Basiszinssatz“) des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: BGB) bestimmt:
„(1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 %. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gefallen ist. Bezugsgröße ist der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank [(EZB)] vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs.
(2) Die Deutsche Bundesbank gibt den Basiszinssatz unverzüglich nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Zeitpunkten im Bundesanzeiger bekannt.“
12. § 288 BGB („Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden“) Abs. 1 bestimmt:
„Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.“
13. § 355 BGB („Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen“) lautet wie folgt:
„(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. …
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.“
14. § 356b BGB („Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen“) Abs. 2 sieht vor:
„Enthält die dem Darlehensnehmer nach Absatz 1 zur Verfügung gestellte Urkunde die Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 nicht, beginnt die Frist erst mit Nachholung dieser Angaben gemäß § 492 Absatz 6. …“
15. § 357 BGB („Rechtsfolgen des Widerrufs von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen mit Ausnahme von Verträgen über Finanzdienstleistungen“) Abs. 1 sieht vor:
„Die empfangenen Leistungen sind spätestens nach 14 Tagen zurückzugewähren.“
16. § 357a („Rechtsfolgen des Widerrufs von Verträgen über Finanzdienstleistungen“) Abs. 1 BGB bestimmt:
„Die empfangenen Leistungen sind spätestens nach 30 Tagen zurückzugewähren.“
17. § 358 („Mit dem widerrufenen Vertrag verbundener Vertrag“) BGB lautet:
„…
(2) Hat der Verbraucher seine auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung auf Grund des § 495 Absatz 1 oder des § 514 Absatz 2 Satz 1 wirksam widerrufen, so ist er auch an seine auf den Abschluss eines mit diesem Verbraucherdarlehensvertrag verbundenen Vertrags über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden.
(3) Ein Vertrag über die Lieferung einer Ware oder über die Erbringung einer anderen Leistung und ein Darlehensvertrag nach den Absätzen 1 oder 2 sind verbunden, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrags dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Eine wirtschaftliche Einheit ist insbesondere anzunehmen, wenn der Unternehmer selbst die Gegenleistung des Verbrauchers finanziert, oder im Falle der Finanzierung durch einen Dritten, wenn sich der Darlehensgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Darlehensvertrags der Mitwirkung des Unternehmers bedient. …
(4) Auf die Rückabwicklung des verbundenen Vertrags sind unabhängig von der Vertriebsform § 355 Absatz 3 und, je nach Art des verbundenen Vertrags, die §§ 357 bis 357b entsprechend anzuwenden. … Der Darlehensgeber tritt im Verhältnis zum Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag ein, wenn das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits zugeflossen ist.“
18. § 491a („Vorvertragliche Informationspflichten bei Verbraucherdarlehensverträgen“) Abs. 1 BGB bestimmt:
„Der Darlehensgeber hat den Darlehensnehmer bei einem Verbraucherdarlehensvertrag über die sich aus Artikel 247 [EGBGB] ergebenden Einzelheiten in der dort vorgesehenen Form zu unterrichten.“
19. § 492 („Schriftform, Vertragsinhalt“) BGB bestimmt:
„(1) Verbraucherdarlehensverträge sind, soweit nicht eine strengere Form vorgeschrieben ist, schriftlich abzuschließen. …
(2) Der Vertrag muss die für den Verbraucherdarlehensvertrag vorgeschriebenen Angaben nach Artikel 247 §§ 6 bis 13 [EGBGB] enthalten.
…
(5) Erklärungen des Darlehensgebers, die dem Darlehensnehmer gegenüber nach Vertragsabschluss abzugeben sind, müssen auf einem dauerhaften Datenträger erfolgen.“
20. § 495 („Widerrufsrecht“) Abs. 1 BGB lautet wie folgt:
„Dem Darlehensnehmer steht bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu.“
III. Sachverhalt der Ausgangsverfahren und Vorabentscheidungsersuchen
A. Rechtssache C‑33/20
21. UK, ein Verbraucher, erwarb im Dezember 2015 ein Kraftfahrzeug. Zur Finanzierung dieser Anschaffung leistete dieser Verbraucher eine Anzahlung und schloss einen Verbraucherkreditvertrag mit Restschuldversicherung ab. Der Verbraucherkreditvertrag enthält folgende Erklärung:
„Nach einer Vertragskündigung werden wir Ihnen den gesetzlichen Verzugszinssatz in Rechnung stellen. Der jährliche Verzugszinssatz beträgt 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz.“
22. Dieser Kreditvertrag enthält jedoch weder eine bezifferte Angabe des geltenden Verzugszinssatzes noch einen Hinweis auf den Referenzzinssatz, der zur Ermittlung des zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Verzugszinssatzes zugrunde gelegt wurde, nämlich den Zinssatz nach § 247 BGB. Nach Auffassung des nationalen Gerichts wird durch die im Kreditvertrag enthaltene Formulierung die Verpflichtung der Anbieter von Verbraucherkreditverträgen, den Mechanismus der Anpassung des Verzugszinssatzes anzugeben, nicht erfüllt.
23. UK habe indes vor Abschluss dieses Vertrags ein Dokument mit dem Titel „Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite“ erhalten, das nach dem Muster in Anhang II der Richtlinie 2008/48 erstellt worden sei und aus dem hervorgehe, dass der Basiszinssatz von der Deutschen Bundesbank ermittelt und jeweils zum 1. Januar bzw. 1. Juli eines jeden Jahres festgesetzt werde. Diese Information könne jedoch nicht als Vertragsbestandteil angesehen werden, weil das betreffende Kreditinstitut eine Formvorschrift des § 492 Abs. 1 BGB nicht beachtet habe; der Geltungsbereich der betreffenden Formvorschrift wird insoweit nicht näher erläutert.
24. UK leistete die monatlichen Darlehensraten regelmäßig. Lange nach Ablauf der Frist von 14 Tagen ab Vertragsschluss, aber vor der vollständigen Rückzahlung des Darlehens wollte UK den betreffenden Vertrag widerrufen. Er machte geltend, dass eine derartig späte Erklärung des Widerrufs gleichwohl wirksam sei, da die Volkswagen Bank ihm nicht alle Informationen zur Verfügung gestellt habe, die nach den die Richtlinie 2008/48 umsetzenden deutschen Rechtsvorschriften erforderlich seien. Die Volkswagen Bank wies diesen Widerruf zurück.
25. Daraufhin erhob UK Klage, mit der er die Feststellung beantragt, dass er gegen Rückgabe des gekauften Fahrzeugs als Käufer nicht zur Zahlung der restlichen monatlichen Darlehensraten verpflichtet sei. UK begehrt ferner die Rückzahlung aller monatlichen Darlehensraten nebst Zinsen sowie der an die Verkäuferin bereits geleisteten Anzahlung.
26. Das vorlegende Gericht hat Zweifel im Hinblick darauf, ob die im Vertrag enthaltenen Informationen den Anforderungen nach § 492 BGB in Verbindung mit § 247 EGBGB in ihrer Auslegung im Licht der Richtlinie 2008/48 genügen. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht Ravensburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass im Kreditvertrag
a) der bei Abschluss des Kreditvertrags geltende Verzugszinssatz als absolute Zahl mitzuteilen ist, zumindest aber der geltende Referenzzinssatz (vorliegend der Basiszinssatz gemäß § 247 BGB), aus dem sich der geltende Verzugszinssatz durch einen Zuschlag (vorliegend von fünf Prozentpunkten gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) ermittelt, als absolute Zahl anzugeben ist?
b) der Mechanismus der Anpassung des Verzugszinssatzes konkret zu erläutern ist, zumindest aber auf die nationalen Normen, aus denen sich die Anpassung des Verzugszinssatzes entnehmen lässt (§§ 247, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB), verwiesen werden muss?
2. Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. r der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass im Kreditvertrag ein konkreter vom Verbraucher nachvollziehbarer Rechenweg für die Ermittlung der bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung anzugeben ist, so dass der Verbraucher die Höhe der bei vorzeitiger Kündigung anfallenden Entschädigung zumindest annäherungsweise berechnen kann?
3. Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. s der Richtlinie 2008/48 dahin gehend auszulegen, dass im Kreditvertrag
a) auch die im nationalen Recht geregelten Kündigungsrechte der Parteien des Kreditvertrags angegeben werden müssen, insbesondere auch das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB bei befristeten Darlehensverträgen?
b) bei sämtlichen Kündigungsrechten der Parteien des Kreditvertrags auf die bei der Ausübung des Kündigungsrechts jeweils vorgeschriebene Frist und Form für die Kündigungserklärung hinzuweisen ist?
B. Rechtssache C‑155/20
27. Die drei verschiedenen Verbraucher BC, RT und SV schlossen am 24. Juli 2014, 3. Januar 2015 bzw. 23. Mai 2015 mit der Volkswagen Bank bzw. der Skoda Bank, einer Zweigniederlassung der Volkswagen Bank, abgetretene Kreditverträge für den Kauf von Kraftfahrzeugen zur privaten Nutzung bei Autohändlern. Der Sachverhalt ähnelt demjenigen der Rechtssache C‑33/20, mit dem Unterschied, dass SV und BC den Widerruf nach vollständiger Rückzahlung des Darlehens erklärten. Im Fall von SV hatte diese das Fahrzeug bereits an den Händler verkauft, der es ihr ursprünglich verkauft hatte, bevor sie ihr Widerrufsrecht ausübte. SV berühmt sich in diesem Zusammenhang als Ergebnis der Ausübung ihres Widerrufsrechts eines Anspruchs auf Rückzahlung des Differenzbetrags zwischen dem Kaufpreis zuzüglich Zinsen und dem Wiederverkaufspreis.
28. Zu den streitigen Verträgen führt das vorlegende Gericht aus, dass die RT, SV und BC zur Verfügung gestellten Dokumente mit dem Titel „Europäische Standardinformationen für Verbraucherkredite“ nach deutschem Recht nicht als Bestandteil des Kreditvertrags angesehen werden könnten, da diese Dokumente im Hinblick auf die Paginierung die Formerfordernisse nach § 492 Abs. 1 BGB nicht erfüllten.
29. Hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen der Kreditgeber den betreffenden Vertrag aus wichtigem Grund kündigen könne, sei zudem in diesen Verträgen weder die Form, in der eine solche Kündigung zu erfolgen habe, noch die Frist, innerhalb derer der Kreditgeber den Vertrag zu kündigen habe, angegeben, und das Recht des Darlehensnehmers zur Kündigung des Vertrags nach § 314 BGB werde nicht einmal erwähnt.
30. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht Ravensburg (Deutschland) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass im Kreditvertrag
a) der bei Abschluss des Kreditvertrags geltende Verzugszinssatz als absolute Zahl mitzuteilen ist, zumindest aber der geltende Referenzzinssatz (vorliegend der Basiszinssatz gemäß § 247 BGB), aus dem sich der geltende Verzugszinssatz durch einen Zuschlag (vorliegend von fünf Prozentpunkten gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) ermittelt, als absolute Zahl anzugeben ist?
b) der Mechanismus der Anpassung des Verzugszinssatzes konkret zu erläutern ist, zumindest aber auf die nationalen Normen, aus denen sich die Anpassung des Verzugszinssatzes entnehmen lässt (§§ 247, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB), verwiesen werden muss?
2. Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. r der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass im Kreditvertrag ein konkreter vom Verbraucher nachvollziehbarer Rechenweg für die Ermittlung der bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung anzugeben ist, so dass der Verbraucher die Höhe der bei vorzeitiger Kündigung anfallenden Entschädigung zumindest annäherungsweise berechnen kann?
3. Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. s der Richtlinie 2008/48 dahin gehend auszulegen,
a) dass im Kreditvertrag auch die im nationalen Recht geregelten Kündigungsrechte der Parteien des Kreditvertrags angegeben werden müssen, insbesondere auch das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB bei befristeten Darlehensverträgen?
b) (falls die vorstehende Frage Buchst. a verneint wird) dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, welche die Nennung eines nationalen Sonderkündigungsrechts zu einer zwingenden Angabe im Sinne des Art. 10 Abs. 2 Buchst. s der Richtlinie 2008/48 macht?
c) dass im Kreditvertrag bei sämtlichen Kündigungsrechten der Parteien des Kreditvertrags auf die bei der Ausübung des Kündigungsrechts jeweils vorgeschriebene Frist und Form für die Kündigungserklärung hinzuweisen ist?
4. Ist bei einem Verbraucherkreditvertrag die Berufung des Kreditgebers auf den Einwand der Verwirkung gegenüber der Ausübung des Widerrufsrechts des Verbrauchers gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48 ausgeschlossen,
a) wenn eine der in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 vorgeschriebenen Pflichtangaben weder ordnungsgemäß im Kreditvertrag enthalten noch nachträglich ordnungsgemäß erteilt worden ist und somit die Widerrufsfrist gemäß Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 nicht begonnen hat?
b) (falls die vorstehende Frage Buchst. a verneint wird) wenn die Verwirkung maßgeblich auf den Zeitablauf seit Vertragsschluss und/oder auf die vollständige Erfüllung des Vertrags durch beide Vertragsparteien und/oder auf die Disposition des Kreditgebers über die zurückerhaltene Darlehenssumme oder die Rückgabe der Kreditsicherheiten und/oder (bei einem mit dem Kreditvertrag verbundenen Kaufvertrag) auf die Nutzung oder die Veräußerung des finanzierten Gegenstands durch den Verbraucher gestützt wird, der Verbraucher jedoch in dem maßgeblichen Zeitraum und bei Eintritt der maßgeblichen Umstände von dem Fortbestehen seines Widerrufsrechts keine Kenntnis hatte und diese Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat, und der Kreditgeber auch nicht davon ausgehen konnte, dass der Verbraucher eine entsprechende Kenntnis hat?
5. Ist bei einem Verbraucherkreditvertrag die Berufung des Kreditgebers auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs gegenüber der Ausübung des Widerrufsrechts des Verbrauchers gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48 ausgeschlossen,
a) wenn eine der in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 vorgeschriebenen Pflichtangaben weder ordnungsgemäß im Kreditvertrag enthalten noch nachträglich ordnungsgemäß erteilt worden ist und somit die Widerrufsfrist gemäß Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 nicht begonnen hat?
b) (falls die vorstehende Frage Buchst. a verneint wird) wenn die missbräuchliche Rechtsausübung maßgeblich auf den Zeitablauf seit Vertragsschluss und/oder auf die vollständige Erfüllung des Vertrags durch beide Vertragsparteien und/oder auf die Disposition des Kreditgebers über die zurückerhaltene Darlehenssumme oder die Rückgabe der Kreditsicherheiten und/oder (bei einem mit dem Kreditvertrag verbundenen Kaufvertrag) auf die Nutzung oder die Veräußerung des finanzierten Gegenstands durch den Verbraucher gestützt wird, der Verbraucher jedoch in dem maßgeblichen Zeitraum und bei Eintritt der maßgeblichen Umstände von dem Fortbestehen seines Widerrufsrechts keine Kenntnis hatte und diese Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat, und der Kreditgeber auch nicht davon ausgehen konnte, dass der Verbraucher eine entsprechende Kenntnis hat?
C. Rechtssache C‑187/20
31. Die beiden verschiedenen Verbraucher JL und DT schlossen am 4. Mai 2017 bzw. 23. März 2019 Kreditverträge mit der BMW Bank bzw. der Audi Bank (Zweigniederlassung der Volkswagen Bank) für den Kauf eines Fahrzeugs zur privaten Nutzung ab. Wie im Fall von UK in der Rechtssache C‑33/20 und von RT in der Rechtssache C‑155/20 wollten diese Verbraucher ihr Darlehen deutlich nach Ablauf von 14 Tagen ab Abschluss des Darlehensvertrags, aber vor seiner vollständigen Rückzahlung widerrufen. Die späte Erklärung ihres Widerrufs rechtfertigten diese Verbraucher wiederum damit, dass die Widerrufsfrist wegen unzureichender in den in Rede stehenden Verträgen erteilter Informationen noch nicht zu laufen begonnen habe.
32. In Bezug auf die in diesen beiden Rechtssachen in Rede stehenden Verträge hebt das vorlegende Gericht folgende Aspekte hervor.
33. Erstens werde in diesen Verträgen nicht angegeben, um welche Art von Darlehen es sich genau handele. In beiden Rechtssachen werde jedoch in der „Europäischen Standardinformation für Verbraucherkredite“(3), die aufgrund der deutschen Rechtsvorschriften Bestandteil der Vertragsurkunde seien, festgestellt, dass es sich um einen Ratenkredit mit gleichbleibenden Monatsraten und festem Zinssatz handele(4).
34. Zweitens sei in beiden Verträgen geregelt, dass das Darlehen zum Zeitpunkt der Fahrzeugauslieferung an den Verkäufer ausgezahlt werde. In keinem der Verträge sei jedoch geregelt, dass mit erfolgter Auszahlung die Kaufpreisverbindlichkeit gegenüber dem Verkäufer in dieser Höhe erlösche und der Käufer nach vollständiger Zahlung des Kaufpreises die Aushändigung des Fahrzeugs vom Verkäufer verlangen könne.
35. Drittens enthalte, was die Angabe der Verzugszinssätze angehe, der von JL abgeschlossene Vertrag folgende Bestimmung: „Kommt der Darlehensnehmer … mit Zahlungen in Verzug, werden Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz pro Jahr berechnet. Der Basiszinssatz wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres ermittelt und von der Deutschen Bundesbank im Bundesanzeiger bekannt gegeben.“ Was DT angehe, enthalte der Darlehensvertrag folgende Angabe zum Verzugszinssatz: „Nach einer Vertragskündigung werden wir Ihnen den gesetzlichen Verzugszinssatz in Rechnung stellen. Der jährliche Verzugszinssatz beträgt 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz.“ Ferner sei in der diesem Verbraucher zur Verfügung gestellten „Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite“ Folgendes ausgeführt: „Der jährliche Verzugszinssatz beträgt 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz. Der Basiszinssatz wird von der Deutschen Bundesbank ermittelt und jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres festgesetzt.“
36. In beiden Rechtssachen werde in den zur Verfügung gestellten Unterlagen jedoch weder erläutert, dass der von der Deutschen Bundesbank bekanntgegebene Basiszinssatz dem Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der EZB entspreche, noch auf § 247 Abs. 1 BGB verwiesen, wo dies geregelt sei.
37. Viertens seien in den den Verbrauchern zur Verfügung gestellten Unterlagen die wesentlichen Parameter zur Bestimmung der Vorfälligkeitsentschädigung genannt, nicht aber die genaue Formel zur Berechnung dieser Entschädigung.
38. Fünftens werde in den in Rede stehenden Verträgen zwar das Bestehen eines Kündigungsrechts des Kreditnehmers aus wichtigem Grund erwähnt, aber weder § 314 BGB genannt, noch auf die Form und die Frist einer solchen Kündigung hingewiesen.
39. Sechstens könne nach den in Rede stehenden Verträgen zur Beilegung von Streitigkeiten mit der Bank der Ombudsmann der privaten Banken angerufen werden und die Verfahrensordnung für die Schlichtung von Kundenbeschwerden im deutschen Bankgewerbe, die die Behandlung einer solchen Beschwerde durch diese Einrichtung regele, auf Wunsch zur Verfügung gestellt oder auf der Internetseite des Bundesverbandes der Deutschen Banken e. V., www.bdb.de, eingesehen werden. In diesen Verträgen sei auch geregelt, dass jede Beschwerde schriftlich an die Kundenbeschwerdestelle des Bundesverbandes deutscher Banken zu richten sei. Im Fall des von DT abgeschlossenen Vertrags seien dort auch die Faxnummer und die E‑Mail-Adresse angegeben, an die solche Beschwerden gerichtet werden könnten. Die in Nr. 3 der Verfahrensordnung dieser Einrichtung genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen in Bezug auf den Inhalt einer solchen Beschwerde seien in diesem Vertrag jedoch nicht genannt.
40. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht Ravensburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass bei der Art des Kredits gegebenenfalls anzugeben ist, dass es sich um einen verbundenen Kreditvertrag handelt und/oder dass es sich um einen befristeten Kreditvertrag handelt?
2. Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass bei den Bedingungen für die Inanspruchnahme des Kredits bei verbundenen Kreditverträgen zur Finanzierung eines Kaufgegenstands im Fall der Auszahlung des Kreditbetrags an den Verkäufer anzugeben ist, dass der Kreditnehmer in Höhe des ausgezahlten Betrags von seiner Verbindlichkeit auf Bezahlung des Kaufpreises befreit wird und der Verkäufer ihm, sofern der Kaufpreis vollständig beglichen ist, den gekauften Gegenstand auszuhändigen hat?
3. Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass
a) der bei Abschluss des Kreditvertrags geltende Verzugszinssatz als absolute Zahl mitzuteilen ist, zumindest aber der geltende Referenzzinssatz (vorliegend der Basiszinssatz gemäß § 247 BGB), aus dem sich der geltende Verzugszinssatz durch einen Zuschlag (vorliegend von fünf Prozentpunkten gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) ermittelt, als absolute Zahl anzugeben ist?
b) der Mechanismus der Anpassung des Verzugszinssatzes konkret zu erläutern ist, zumindest aber auf die nationalen Normen, aus denen sich die Anpassung des Verzugszinssatzes entnehmen lässt (§§ 247, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB), verwiesen werden muss?
4. a) Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. r der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass im Kreditvertrag ein konkreter vom Verbraucher nachvollziehbarer Rechenweg für die Ermittlung der bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung anzugeben ist, so dass der Verbraucher die Höhe der bei vorzeitiger Kündigung anfallenden Entschädigung zumindest annäherungsweise berechnen kann?
b) (falls die vorstehende Frage Buchst. a bejaht wird)
Stehen Art. 10 Abs. 2 Buchst. r und Art. 14 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/48 einer nationalen Regelung entgegen, wonach bei unvollständigen Angaben im Sinne von Art. 10 Abs. 2 Buchst. r dieser Richtlinie die Widerrufsfrist gleichwohl mit Vertragsschluss beginnt und lediglich der Anspruch des Kreditgebers auf Entschädigung für die vorzeitige Rückzahlung des Kredits entfällt?
5. Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. s der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen,
a) dass im Kreditvertrag auch die im nationalen Recht geregelten Kündigungsrechte der Parteien des Kreditvertrags angegeben werden müssen, insbesondere auch das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB bei befristeten Darlehensverträgen, und dass der Paragraf, in dem dieses Kündigungsrecht geregelt ist, ausdrücklich genannt werden muss?
b) (falls die vorstehende Frage Buchst. a verneint wird):
dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, welche die Nennung eines nationalen Sonderkündigungsrechts zu einer zwingenden Angabe im Sinne des Art. 10 Abs. 2 Buchst. s der Richtlinie 2008/48 macht?
c) dass im Kreditvertrag bei sämtlichen Kündigungsrechten der Parteien des Kreditvertrags auf die bei der Ausübung des Kündigungsrechts jeweils vorgeschriebene Frist und Form für die Kündigungserklärung hinzuweisen ist?
6. Ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass im Kreditvertrag die wesentlichen formalen Voraussetzungen für eine Beschwerde und/oder einen Rechtsbehelf im außergerichtlichen Beschwerde- und/oder Rechtsbehelfsverfahren mitgeteilt werden müssen? Ist es unzureichend, wenn insoweit auf eine im Internet abrufbare Verfahrensordnung für das außergerichtliche Beschwerde- und/oder Rechtsbehelfsverfahren verwiesen wird?
7. Ist bei einem Verbraucherkreditvertrag die Berufung des Kreditgebers auf den Einwand der Verwirkung gegenüber der Ausübung des Widerrufsrechts des Verbrauchers gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48 ausgeschlossen,
a) wenn eine der in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 vorgeschriebenen Pflichtangaben weder ordnungsgemäß im Kreditvertrag enthalten noch nachträglich ordnungsgemäß erteilt worden ist und somit die Widerrufsfrist gemäß Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 nicht begonnen hat?
b) (falls die vorstehende Frage Buchst. a verneint wird)
wenn die Verwirkung maßgeblich auf den Zeitablauf seit Vertragsschluss und/oder auf die vollständige Erfüllung des Vertrags durch beide Vertragsparteien und/oder auf die Disposition des Kreditgebers über die zurückerhaltene Darlehenssumme oder die Rückgabe der Kreditsicherheiten und/oder (bei einem mit dem Kreditvertrag verbundenen Kaufvertrag) auf die Nutzung oder die Veräußerung des finanzierten Gegenstands durch den Verbraucher gestützt wird, der Verbraucher jedoch in dem maßgeblichen Zeitraum und bei Eintritt der maßgeblichen Umstände von dem Fortbestehen seines Widerrufsrechts keine Kenntnis hatte und diese Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat, und der Kreditgeber auch nicht davon ausgehen konnte, dass der Verbraucher eine entsprechende Kenntnis hat?
8. Ist bei einem Verbraucherkreditvertrag die Berufung des Kreditgebers auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs gegenüber der Ausübung des Widerrufsrechts des Verbrauchers gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48 ausgeschlossen,
a) wenn eine der in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 vorgeschriebenen Pflichtangaben weder ordnungsgemäß im Kreditvertrag enthalten noch nachträglich ordnungsgemäß erteilt worden ist und somit die Widerrufsfrist gemäß Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 nicht begonnen hat?
b) (falls die vorstehende Frage Buchst. a verneint wird)
wenn die missbräuchliche Rechtsausübung maßgeblich auf den Zeitablauf seit Vertragsschluss und/oder auf die vollständige Erfüllung des Vertrags durch beide Vertragsparteien und/oder auf die Disposition des Kreditgebers über die zurückerhaltene Darlehenssumme oder die Rückgabe der Kreditsicherheiten und/oder (bei einem mit dem Kreditvertrag verbundenen Kaufvertrag) auf die Nutzung oder die Veräußerung des finanzierten Gegenstands durch den Verbraucher gestützt wird, der Verbraucher jedoch in dem maßgeblichen Zeitraum und bei Eintritt der maßgeblichen Umstände von dem Fortbestehen seines Widerrufsrechts keine Kenntnis hatte und diese Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat, und der Kreditgeber auch nicht davon ausgehen konnte, dass der Verbraucher eine entsprechende Kenntnis hat?
IV. Würdigung
41. Der Bitte des Gerichtshofs entsprechend, schlage ich vor, meine Schlussanträge auf die folgenden Fragen zu beschränken:
– die erste Frage in der Rechtssache C‑33/20, die erste Frage in der Rechtssache C‑155/20 und die dritte Frage in der Rechtssache C‑187/20;
– die sechste Frage in der Rechtssache C‑187/20;
– die vierte Frage in der Rechtssache C‑155/20 und die siebte Frage in der Rechtssache C‑187/20;
– die fünfte Frage in der Rechtssache C‑155/20 und die achte Frage in der Rechtssache C‑187/20.
A. Vorbemerkungen
42. Als Vorbemerkung ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass eine Richtlinie selbst keine Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen kann, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist. Zwar sind die mit der Auslegung des nationalen Rechts betrauten nationalen Gerichte, um dem Einzelnen seinen Rechtsschutz nach den Bestimmungen des Unionsrechts zu gewährleisten, verpflichtet, das nationale Recht so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der fraglichen Richtlinie auszurichten, damit das von ihr festgelegte Ergebnis erreicht wird(5). Diese Pflicht zu einer unionsrechtskonformen Auslegung findet jedoch ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, insbesondere im Grundsatz der Rechtssicherheit, und zwar in dem Sinne, dass sie nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen darf(6). Folglich können die Antworten auf die vom vorlegenden Gericht vorgelegten Fragen von den Klägern ihren jeweiligen Kreditinstituten nur dann entgegengehalten werden, wenn die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2008/48 nach den anerkannten Auslegungsmethoden im Einklang mit diesen Antworten ausgelegt werden können. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob dies der Fall ist.
43. Als Zweites möchte ich betonen, dass die bisher ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Informationspflichten nach anderen, dem Schutz von Verbraucherrechten dienenden Rechtsvorschriften des Unionsrechts meines Erachtens nicht ohne Weiteres auf die Richtlinie 2008/48 entsprechend übertragbar ist. Nach den vom Gerichtshof anerkannten Auslegungsmethoden sind solche Lösungen nämlich nur dann wirklich übertragbar, wenn der Wortlaut, der Kontext und die Ziele der in Rede stehenden Rechtsvorschriften identisch oder zumindest nahezu identisch sind. In der vorliegenden Rechtssache verdient meines Erachtens der Umstand besondere Aufmerksamkeit, dass die Richtlinie 2008/48 weiter reichende Informationspflichten vorschreibt, als sie beispielsweise in der Richtlinie 93/13/EWG enthalten sind(7).
44. Was als Drittes die mit der Richtlinie 2008/48 verfolgten Ziele betrifft, ergibt sich aus den Erwägungsgründen 4 bis 9 dieser Richtlinie, dass sie die Entwicklung eines wirksamen Binnenmarkts bei Verbraucherkrediten erleichtern soll, indem die von Kreditgebern zu erteilenden Informationen harmonisiert werden und gleichzeitig sichergestellt wird, dass dieser Markt Vertrauen bei den Verbrauchern schafft, indem er ihnen ein hohes und angemessenes Schutzniveau bietet(8).
45. Die in der Richtlinie 2008/48 enthaltenen Informationspflichten bauen daher zum einen auf der Prämisse auf, dass ein gewisses Maß an vertraglicher Standardisierung zumindest hinsichtlich der in die Verträge aufzunehmenden Informationen erforderlich ist, um dieses Ziel zu erreichen, und zum anderen darauf, dass der Verbraucher sich gegenüber dem Kreditgeber in einer unterlegenen Position befindet, was die Kenntnis von den Wirkungen des Vertrags und die anwendbaren Rechtsvorschriften angeht(9). Um diese Ziele zu erreichen, werden die Informationspflichten, die dem Kreditgeber auferlegt werden können, durch die Richtlinie 2008/48 vollständig harmonisiert(10); hierzu wird unterschieden zwischen Informationen, die vom Kreditgeber in seiner Werbung (Art. 4), in der vorvertraglichen Phase (Art. 5) und in den Verträgen selbst (Art. 10) zu erteilen sind(11).
46. Da die Richtlinie 2008/48 Informationspflichten auf verschiedenen Stufen vorsieht, verfolgen diese Pflichten, auch wenn sie miteinander verknüpft sind, etwas unterschiedliche Ziele. Insbesondere ergibt sich aus den Erwägungsgründen 18 und 19 dieser Richtlinie, dass die in Art. 5 der Richtlinie vorgesehene Pflicht, dem Verbraucher im vorvertraglichen Stadium bestimmte Informationen zu erteilen, diesen in erster Linie in die Lage versetzen soll, verschiedene, ihm gemachte Angebote miteinander zu vergleichen und dann das geeignetste auszuwählen. Was die Pflicht nach Art. 10 der Richtlinie 2008/48 angeht, Verbrauchern im vertraglichen Stadium bestimmte Informationen zu erteilen, ergibt sich aus dem 31. Erwägungsgrund der Richtlinie eindeutig, dass Verbraucher in die Lage versetzt werden sollen, von ihren, sich aus dem Vertrag ergebenden Rechten und Pflichten Kenntnis zu nehmen(12). Genauer gesagt, soll mit dieser Vorschrift, wie vom Gerichtshof ausgeführt, sichergestellt werden, dass der Verbraucher über alle für die ordnungsgemäße Vertragsdurchführung und, insbesondere, für die Ausübung seiner Rechte erforderlichen Informationen verfügt(13).
47. Soweit in Art. 10 der Richtlinie 2008/48 genannte konkrete Informationen dem Verbraucher bereits in der vorvertraglichen Phase mitgeteilt worden sein müssen, während andere sich nicht auf den Inhalt des Vertrags, sondern auf die auf ihn anwendbaren Rechtsvorschriften beziehen, verfolgte der Unionsgesetzgeber eindeutig das Ziel, dem Verbraucher zu ermöglichen, von seinen Rechten und Pflichten aus dem Vertrag Kenntnis zu nehmen, indem sichergestellt wird, dass er dann, wenn Probleme auftreten, anhand dieses Vertrags auf seine Frage eine Antwort finden kann, ohne dass ihm Kosten für das Auffinden der einschlägigen Informationen entstehen(14).
48. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass angesichts des mit der Richtlinie 2008/48 insbesondere verfolgten Ziels der Erleichterung der Entwicklung eines wirksamen Binnenmarkts bei Verbraucherkrediten und der hierzu herbeigeführten vollständigen Harmonisierung der Informationspflichten, unabhängig davon, welchen Lösungen der Gerichtshof in den vorliegenden Rechtssachen folgen will, diese Lösungen so präzise wie möglich sein müssen. Nur dann wäre die für das Entstehen eines solchen Marktes erforderliche Rechtssicherheit für die europäischen Marktteilnehmer gegeben.
49. Ich schlage vor, die gestellten Fragen jetzt im Licht der vorstehenden Erwägungen zu beantworten.
B. Erste Frage in der Rechtssache C‑33/20, erste Frage in der Rechtssache C‑155/20 und dritte Frage in der Rechtssache C‑187/20
50. Mit seiner ersten Frage in der Rechtssache C‑33/20, seiner ersten Frage in der Rechtssache C‑155/20 und seiner dritten Frage in der Rechtssache C‑187/20 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass der Kreditvertrag zum einen den zum Zeitpunkt seines Abschlusses geltenden Verzugszinssatz als „konkrete Zahl“ angeben und zum anderen den Mechanismus zur Anpassung dieses Zinssatzes konkret erläutern muss.
51. Was den ersten Teil der Frage angeht, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs keine der in der Richtlinie 2008/48 vorgesehenen Informationspflichten dadurch erfüllt werden kann, dass im Vertrag lediglich auf Rechtsvorschriften verwiesen wird(15).
52. Die deutsche Sprachfassung von Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 sieht vor, dass in Verbraucherkreditverträgen „der Satz der Verzugszinsen gemäß der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrags geltenden Regelung und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung sowie gegebenenfalls anfallende Verzugskosten“ angegeben sein müssen, wobei die Verwendung des Begriffs „Regelung“ zu einer gewissen Unklarheit führen könnte. Mit diesem Begriff könnten nämlich die Vertragsbedingungen oder die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Rechtsvorschriften gemeint sein, so dass, um diesen Rechtsvorschriften nachzukommen, der Inhalt der geltenden Rechtsvorschriften notwendigerweise im Vertrag wiederzugeben ist. Im Fall der letzteren Alternative, die von der deutschen Regierung vertreten wird, müsste nur dann, wenn die Rechtsvorschrift den anwendbaren Zinssatz als absoluten Wert anführt, diese Zahl angegeben werden.
53. Insoweit ist meines Erachtens einzuräumen, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 alles andere als eindeutig ist. Der Wortlaut, der Kontext und die Ziele dieser Bestimmung dürften jedoch sämtlich eher dafür sprechen, sie dahin auszulegen, dass sie die Angabe der konkreten Zahl verlangt, die dem am Tag des Vertragsabschlusses geltenden Satz entspricht. Dieser Ansicht bin ich aus folgenden Gründen.
54. Zunächst ist festzustellen, dass sich aus dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 selbst ergibt, dass die nach diesem Artikel erforderliche Angabe einen Zinssatz betrifft. Nach der allgemeinen Definition dieses Begriffs bezieht sich dieser auf einen Prozentsatz, d. h. auf einen Bruchteil von Hundert(16). Tatsächlich ist die Formel, der Referenzwert oder der Referenzindex, die zur Berechnung eines Zinssatzes verwendet werden, nicht der Zinssatz selbst(17). Ergänzt werden mag, dass die deutsche Sprachfassung der Richtlinie 2008/48 dann, wenn sie sich auf die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses anwendbaren Rechtsvorschriften bezieht, ausdrücklicher formuliert ist, wie etwa in Art. 14 Abs. 2 („das … geltende innerstaatliche Recht“) und in Art. 14 Abs. 6 („nach geltenden Rechtsvorschriften“) bzw. Art. 15 Abs. 2 („nach den geltenden Rechtsvorschriften“).
55. Vor allem aber bezieht sich Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 in seiner englischen Sprachfassung auf „the interest rate applicable in the case of late payments as applicable at the time of the conclusion of the credit agreement and the arrangements for its adjustment“. Auch in der französischen Sprachfassung heißt es: „le taux d’intérêt applicable en cas de retard de paiement applicable au moment de la conclusion du contrat de crédit et les modalités d'adaptation de ce taux“.
56. Dass in dieser Bestimmung zumindest in einigen anderen Sprachfassungen eindeutig erwähnt wird, dass zum einen der anzugebende Zinssatz derjenige sein muss, der „zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrags“ gilt, und dass zum anderen diese Angabe neben derjenigen der Bedingungen für seine etwaige Anpassung erfolgen muss, zeigt meines Erachtens, dass der Begriff „Zinssatz“ dahin zu verstehen ist, dass damit nicht die Definition dieses Zinssatzes oder die hierfür verwendete Berechnungsformel gemeint ist, sondern der Prozentsatz, der dem am Tag des Vertragsschlusses geltenden Zinssatz entspricht. Die Definition des Zinssatzes oder die verwendete Berechnungsformel (in den vorliegenden Rechtssachen X+5, wobei X gleich dem Wert des deutschen Basiszinses ist) ändert sich nämlich nicht ohne Änderung des Vertrags.
57. Wäre daher der Begriff „Zinssatz“ dahin zu verstehen, dass damit die verwendete Berechnungsformel gemeint ist, hätte weder näher geregelt werden müssen, dass es sich bei diesem Zinssatz um den zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Zinssatz handeln muss, noch ferner, dass die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung anzugeben ist. Insbesondere mit Blick auf diese letztere Art von Angabe wäre, sollte der Begriff „Zinssatz“ als Bezugnahme auf die Definition oder die verwendete Berechnungsformel zu verstehen sein, die Art und Weise seiner Anpassung bereits Bestandteil der Definition des Zinssatzes oder seiner Berechnungsformel in der Form einer Variablen oder, wie in der vorliegenden Rechtssache, eines Verweises auf einen Referenzwert(18).
58. Sicherlich werden, wie von einigen Beteiligten hervorgehoben, einige Zinssätze, wie etwa die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, sich wahrscheinlich ändern, dies spricht aber meines Erachtens vielmehr für das vorgenannte Ergebnis. Es könnte insbesondere erklären, warum der anzugebende Zinssatz nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 nicht nur der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltende Zinssatz sein muss, sondern auch die Art und Weise der Anpassung dieses Zinssatzes anzugeben ist.
59. Schon der Wortlaut von Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 legt also nahe, dass diese Bestimmung dahin auszulegen ist, dass sie den Kreditgeber verpflichtet, konkret den Zinssatz anzugeben, der im Fall des Zahlungsverzugs des Kreditnehmers zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses tatsächlich gelten würde.
60. Dieses Ergebnis wird durch die Ziele und die allgemeine Systematik der Richtlinie bestätigt.
61. Als Erstes ist festzustellen, dass Art. 3 der Richtlinie 2008/48 immer dann, wenn er einen Zinssatz definiert, festlegt, dass dieser Zinssatz in Form eines Prozentsatzes auszudrücken ist. Bei diesen Klarstellungen handelt es sich meines Erachtens nicht um Ausnahmen von der regelmäßigen Definition des Begriffs „Zinssatz“, wie die deutsche Regierung meint; vielmehr deuten sie wiederum darauf hin, dass mit diesen Definitionen geregelt werden soll, wie dieser Prozentsatz je nach Art des betreffenden Zinssatzes zu berechnen ist(19).
62. Was in diesem Zusammenhang die Definition des Begriffs „Zinssatz“ angeht, hätte der Gesetzgeber nach meinem Eindruck dann, wenn er Kreditgeber nicht zur Angabe des tatsächlichen Prozentsatzes des zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Zinssatzes, sondern zur Angabe der für diese Berechnung anzuwendenden Formel hätte verpflichten wollen, sich vermutlich vielmehr die Mühe gemacht, dies zu regeln.
63. Als Zweites ist in Bezug auf die mit Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 verfolgten Ziele festzustellen, dass diese Bestimmung europäische Verbraucher in die Lage versetzen soll, von ihren Rechten und Pflichten Kenntnis zu nehmen. Unter diesem Gesichtspunkt mag anzuerkennen sein, dass, wie von einigen Verfahrensbeteiligten vorgetragen, unter dem Gesichtspunkt der Vertragsdurchführung, die Angabe des am Tag des Vertragsschlusses tatsächlich geltenden Zinssatzes, für sich betrachtet, kaum von Interesse ist, weil er sich mit hoher Wahrscheinlichkeit ändern wird.
64. Es lässt sich jedoch kaum bestreiten, dass das Erfordernis der Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Verzugszinssatzes dem Verbraucher hilft, sich der Folgen eines Zahlungsverzugs bewusst zu werden(20), und scheint mir sinnvoller zu sein, als die Verwendung einer Berechnungsformel oder eine abstrakte Bezugnahme auf einen Referenzwert oder Referenzzinssatz. Dies ist im Übrigen nicht die einzige Information, die nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 erforderlich ist. Insbesondere wird dem Problem der Aktualisierung dieser Angaben konkret dadurch Rechnung getragen, dass nach dieser Bestimmung auch die Art und Weise ihrer Anpassung anzugeben ist. Dementsprechend kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Angabe dieses Prozentsatzes nicht ausreichen würde, um den Verbrauchern in der Union die Erkenntnis zu ermöglichen, welche potenziellen Folgen ein Zahlungsverzug für sie hätte.
65. Schließlich lässt sich feststellen, dass die Verpflichtung zur Angabe des Verzugszinssatzes nicht nur zu den in den Vertrag aufzunehmenden, sondern nach Art. 5 der Richtlinie 2008/48 auch zu den in der vorvertraglichen Phase mitzuteilenden Angaben gehört. Demzufolge ist der Begriff „anwendbarer Satz der Verzugszinsen“ dahin auszulegen, dass den Zielen sowohl von Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 als auch von deren Art. 5 Abs. 1 Buchst. l dieser Richtlinie entsprochen wird.
66. Unter diesem Aspekt betrachtet, ergibt sich, was das mit den vorvertraglichen Informationspflichten nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 verfolgte Ziel angeht, aus dem 18. Erwägungsgrund dieser Richtlinie, dass zu diesen Zielen u. a. gehört, Vertrauen bei den Verbrauchern zu schaffen, indem „besondere Bestimmungen für die Werbung für Kreditverträge und über bestimmte Standardinformationen [vorgesehen werden], die die Verbraucher erhalten sollten, damit sie insbesondere verschiedene Angebote miteinander vergleichen können. Diese Informationen sollten in klarer, prägnant gefasster Form an optisch hervorgehobener Stelle durch ein repräsentatives Beispiel erteilt werden“(21).
67. Insoweit ist zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung die verbraucherrechtlichen Vorschriften des Unionsrechts nicht anhand der Situation der Kläger des betreffenden Einzelfalls, sondern unter Bezugnahme auf einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher auszulegen sind(22). Aus dem sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/48 geht hervor, dass mit dieser Richtlinie das Ziel der Entwicklung eines transparenteren und effizienteren Kreditmarkts in einem Raum ohne Binnengrenzen verfolgt werden soll. Da zudem für den Erlass der Richtlinie Art. 95 EG (jetzt Art. 114 AEUV) als Rechtsgrundlage gewählt wurde, wonach der Erlass von Harmonisierungsmaßnahmen nur gerechtfertigt ist, wenn sie der Verbesserung der Bedingungen für das Funktionieren des Binnenmarkts dienen(23), lässt sich hieraus ableiten, dass die Vergleichbarkeit von Angeboten, die Art. 5 der Richtlinie 2008/48 erleichtern soll, nicht anhand der Situation eines nationalen, sondern vielmehr anhand derjenigen eines europäischen Verbrauchers zu verstehen ist(24).
68. Jedenfalls ist natürlich anzuerkennen, dass der Durchschnittsverbraucher nicht über die Sachkenntnis eines Finanzfachmanns verfügt. Es darf daher sicherlich angenommen werden, dass der, gegebenenfalls in einem anderen Mitgliedstaat wohnhafte, Durchschnittsverbraucher nicht ohne Weiteres verschiedene Verzugszinssätze verstehen und somit vergleichen, kann, die Anwendung finden können, wenn die einzige ihm zur Verfügung gestellte Information die Berechnungsformel ist, die zur Ermittlung dieses Zinssatzes zu einem bestimmten Zeitpunkt verwendet wird, insbesondere, wenn diese Formel einen nationalen Zinssatz, Referenzwert oder Referenzindex beinhaltet. Vielmehr ist es meines Erachtens gerade das Anliegen, dem europäischen Verbraucher eine Vergleichsmöglichkeit zu geben, weshalb nach der Richtlinie 2008/48 in jedem Verbraucherkreditvertrag der geltende Zinssatz und nicht lediglich die Methode seiner Berechnung oder Anpassung anzugeben ist.
69. Vor diesem Hintergrund mag zwar eine deutlichere Regelung dieses Punkts in der Richtlinie wünschenswert gewesen sein, doch ist im Licht insbesondere des Wortlauts von Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 meines Erachtens davon auszugehen, dass die Verpflichtung zur Angabe des „Satzes der Verzugszinsen“ dahin zu verstehen ist, dass im Vertrag der Prozentsatz des Zinssatzes angegeben werden muss, der im Fall des Zahlungsverzugs des Kreditnehmers zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Anwendung fände(25).
70. Was den zweiten Teil der Frage angeht, der die Art und Weise der etwaigen Anpassung des Verzugszinssatzes betrifft, sind diese Modalitäten nach dem Wortlaut von Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 im Kreditvertrag eindeutig ebenfalls anzugeben.
71. Im Licht der in den Vorabentscheidungsersuchen gegebenen Erläuterungen sind die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen meines Erachtens dahin zu verstehen, dass sie sich auf den Grad der Genauigkeit der hierzu im Vertrag zu machenden Angaben beziehen. Vielleicht konkreter bezieht sich die Frage darauf, ob das Kreditinstitut in dem Fall, in dem der Zinssatz auf einem Referenzzinssatz beruht, angeben muss, von wem, wann und nach welchen Kriterien dieser Zinssatz bestimmt wird.
72. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein Kreditgeber die Anforderungen an die Information im Sinne von Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 nicht dadurch erfüllen kann, dass er im Vertrag lediglich auf die geltenden Rechtsvorschriften verweist(26). Art. 10 Abs. 2 Buchst. l dieser Richtlinie ist meines Erachtens jedoch nicht dahin auszulegen, dass der Kreditgeber dann, wenn zur Berechnung eines Zinssatzes ein Referenzzinssatz verwendet wird, erläutern muss, wie dieser Referenzzinssatz anzupassen ist, oder gar, gegebenenfalls und wie in der vorliegenden Rechtssache der Fall, dass der verwendete Referenzzinssatz einem von der Europäischen Zentralbank bekanntgegebenen Zinssatz entspricht.
73. Zu diesem Ergebnis komme ich aus folgenden Gründen.
74. Erstens ist, falls ein Zinssatz auf der Grundlage einer Formel berechnet wird, die eine Variable enthält, die Verwendung dieser Variablen die Möglichkeit oder eine der Möglichkeiten, wie der Zinssatz angepasst werden kann. Gibt es, wie in den vorliegenden Rechtssachen, keine andere Möglichkeit zur Anpassung des Zinssatzes, ist es zur Erfüllung der Anforderungen von Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 daher ausreichend, wenn im Vertrag diese Formel für die Berechnung des anwendbaren Zinssatzes angegeben wird und, falls es sich bei der Variablen um einen Referenzzinssatz handelt, wer diesen Zinssatz festlegt sowie wo und wie häufig er bekanntgegeben wird.
75. Zweitens weise ich darauf hin, dass Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 zeitlich nach den in den vorliegenden Rechtssachen in Rede stehenden Sachverhalten geändert wurde, um klarzustellen, dass dann, wenn ein Verbraucherkreditvertrag auf einen Referenzzinssatz im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung (EU) 2016/1011 verweist(27), der Kreditgeber oder gegebenenfalls der Kreditvermittler dem Kreditnehmer den Namen des Referenzwerts und seines Administrators sowie dessen mögliche Auswirkungen auf den Verbraucher mitteilen muss (was meines Erachtens die Angabe beinhaltet, wie häufig dieser Index bekanntgegeben wird)(28). Es wird jedoch nicht erwartet, dass der Kreditgeber darlegt, wie dieser Referenzwert selbst festgelegt wird.
76. Schließlich erscheint die detaillierte Angabe der Art und Weise, wie der Referenzzinssatz festgelegt wird, nicht erforderlich, um die mit den Art. 5 und 10 der Richtlinie verfolgten Ziele zu erreichen; sie könnte sie ihnen sogar zuwiderlaufen. Da es sich nämlich um einen von einer Zentralbank bekanntgegebenen Referenzzinssatz handelt, kann er teils von makroökonomischen Daten und teils von geldpolitischen Erwägungen (insbesondere von Fragen der Preisstabilität und der Inflation) abhängen. Jeder Versuch, die Art und Weise der Anpassung dieses Zinssatzes zu erläutern, würde für den Kreditgeber einen im Vergleich zu anderen, in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 genannten Angaben unverhältnismäßigen Aufwand mit sich bringen. Der Umfang dieser Angaben könnte selbst die Gefahr einer Überforderung des Verbrauchers mit einer großen Bandbreite finanzieller und ökonomischer Informationen und Daten mit sich bringen(29). Eine solche Verpflichtung könnte für den Kreditgeber sehr belastend sein, und es mag bezweifelt werden, ob mangels einer klar formulierten entgegenstehenden Festlegung eine solche Verpflichtung vom europäischen Gesetzgeber jemals beabsichtigt war.
77. In den vorliegenden Rechtssachen wird in den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Bestimmungen klargestellt, dass der in der Formel für die Berechnung des Verzugszinssatzes verwendete Referenzzinssatz von der Deutschen Bundesbank bekanntgegeben wird und dass dieser Zinssatz jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres festgelegt wird. Da es sich hierbei um einen amtlichen, auf der Website der Deutschen Bundesbank frei zugänglichen Zinssatz handelt, halte ich diese Angabe für ausreichend dafür, einen durchschnittlichen europäischen Verbraucher, von dem angenommen werden muss, dass er normal informiert und aufmerksam ist, ein Verständnis davon zu ermöglichen, von wem, wo und wann dieser Zinssatz bekanntgegeben wird.
78. Zwar ist in diesen vertraglichen Verweisen nicht angegeben, dass der verwendete Referenzzinssatz einem von der EZB bekanntgegebenen Zinssatz entspricht. Im Wortlaut von Art. 5 oder Art. 10 der Richtlinie 2008/48 spricht indes nichts dafür, dass eine solche Angabe erforderlich ist. Für mich ist auch weder ersichtlich, inwiefern diese Informationen für die Vergleichbarkeit von Angeboten erforderlich sein sollten, noch, wie sie es dem Verbraucher erleichterten, von seinen Rechten und Pflichten Kenntnis zu nehmen. Für den Verbraucher kommt es darauf an, die sich aus dem Vertrag ergebenden Folgen zu verstehen(30), und unter diesem Gesichtspunkt ist meines Erachtens die Kenntnis dessen ausreichend, dass es sich bei dem angewandten Zinssatz um einen rechtsgültigen Zinssatz handelt und wo er zu finden ist.
79. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die erste Frage in der Rechtssache C‑33/20, die erste Frage in der Rechtssache C‑155/20 und die dritte Frage in der Rechtssache C‑187/20 dahin zu beantworten, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass der Kreditvertrag zum einen den zum Zeitpunkt seines Abschlusses geltenden Verzugszinssatz als Prozentsatz angeben muss und zum anderen, falls dieser Zinssatz sich ändern kann, die Berechnungsformel angeben muss, nach der der anwendbare Zinssatz berechnet wird, sowie, sofern insoweit auf einen Referenzzinssatz oder Referenzwert als Variable zurückgegriffen wird, das Datum der Bekanntgabe sowie wo und von wem er bekanntgegeben wurde.
C. Sechste Frage in der Rechtssache C‑187/20
80. Mit seiner sechsten Frage in der Rechtssache C‑187/20 möchte das vorlegende Gericht geklärt wissen, ob Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass im Kreditvertrag die wesentlichen formalen Voraussetzungen für die Einleitung eines außergerichtlichen Beschwerde- und/oder Rechtsbehelfsverfahrens mitgeteilt werden müssen oder ob es ausreicht, wenn insoweit im Vertrag lediglich auf eine im Internet abrufbare Verfahrensordnung verwiesen wird.
81. Hingewiesen sei zunächst darauf, dass nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 in Verbraucherkreditverträgen anzugeben ist, „ob der Verbraucher Zugang zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren hat, und gegebenenfalls die Voraussetzungen für diesen Zugang“. Zur Beantwortung dieser Frage ist daher zu klären, was nach dieser Bestimmung mit „Voraussetzungen für [den] Zugang“ „zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren“ gemeint ist.
82. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind unionsrechtliche Vorschriften, die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweisen, in der gesamten Union autonom und einheitlich auszulegen. Diese Auslegung hat unter Berücksichtigung nicht nur des Wortlauts der Vorschriften, sondern auch ihres Regelungszusammenhangs und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Zwecks zu erfolgen(31). Da die Richtlinie 2008/48 zur Bestimmung der Bedeutung der Wendung „Voraussetzungen für [den] Zugang“ „zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren“ nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, ist sie als autonomer Begriff des Unionsrechts anzusehen und folglich unionsweit einheitlich auszulegen.
83. Hierzu ist meines Erachtens zum einen festzustellen, dass es sich bei den Zugangsvoraussetzungen, deren Angabe im Vertrag nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 verlangt wird, um solche für „außergerichtliche Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren“ handeln muss, wozu nicht nur interne Beschwerdeverfahren, sondern auch vor einer gesonderten Stelle stattfindende Verfahren gehören können(32). Zum anderen kann das außergerichtliche Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren im Sinne von Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48, wie es bei dem Beschwerdeverfahren vor dem deutschen Ombudsmann für das Privatkundengeschäft der Fall zu sein scheint, besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen unterliegen und von der zuständigen Stelle auch geändert werden.
84. Entgegen dem Vorbringen einiger Verfahrensbeteiligter können diese Umstände allein jedoch nicht eine Auslegung von Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 rechtfertigen, wonach ein Vertrag lediglich deshalb auf eine Website zu diesen Fragen verweisen könnte, weil es anderenfalls im Kern unmöglich sei, etwaige Änderungen der Verfahrensordnung zu handhaben. Zwar wird die Verpflichtung des Kreditgebers, in den Vertrag andere Informationen als die Adresse einer diese Verfahren betreffenden Website aufzunehmen, zwangsläufig dazu führen, dass bei einer Änderung der Liste der zur Verfügung stehenden außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren oder der Modalitäten der Anrufung einer der zuständigen Stellen der Inhalt des Vertrags aktualisiert werden muss. Es stünde nämlich zu den Zielen der Richtlinie 2008/48 im Widerspruch, deren Art. 10 dahin auszulegen, dass der Kreditgeber eine solche Aktualisierung nicht vorzunehmen hätte, da es sich, wie ich erläutert habe, bei den in dieser Bestimmung genannten Informationen um solche handelt, die der Unionsgesetzgeber als für die Vertragsdurchführung wahrscheinlich wesentliche Informationen angesehen hat(33).
85. Eine solche Aktualisierungspflicht stellt indes keine unzumutbare Belastung für Kreditgeber dar. Zum einen ist durch die Entwicklung von Vertragsmanagement-Tools in den letzten 20 Jahren die Kontrolle von Verträgen für den Kreditgeber wesentlich einfacher und kostengünstiger geworden. Zum anderen ist mit der Durchführung einer solchen Aktualisierung keine rechtliche Schwierigkeit verbunden. Eine Bestimmung, die das Bestehen oder Nichtbestehen dem Verbraucher zugänglicher außergerichtlicher Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren sowie die Voraussetzungen für den Zugang zu ihnen lediglich erwähnt, hat nämlich eher informativen als normativen Wert, da sie nicht den Umfang der Rechte und Pflichten der Parteien regelt. Folglich stellt die Aktualisierung dieser Informationen keine Vertragsänderung dar, der der Verbraucher beispielsweise widersprechen könnte.
86. Jedenfalls kann festgehalten werden, dass nach Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 der Verbraucher eine Ausfertigung des Kreditvertrags erhalten muss. Die Verwendung des Wortes „erhalten“ beinhaltet, dass der Verbraucher nicht auf einen Internet-Link zugreifen oder irgendeine Handlung vornehmen muss, um Zugang zu den Vertragsbedingungen zu bekommen(34). Der Gerichtshof hat auch bereits entschieden, dass Kreditgeber einer Informationspflicht nach Art. 10 der Richtlinie 2008/48 nicht nachkommen können, indem sie lediglich im Vertrag angeben, wo diese Informationen zu finden sind(35).
87. Da dem vorlegenden Gericht dies bereits bekannt sein dürfte, sind die von ihm aufgeworfenen Fragen meines Erachtens dahin zu verstehen, dass sie konkreter die Frage betreffen, was in Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 unter „Zugangsvoraussetzungen“ zu verstehen ist und, noch einmal, welcher Grad an Genauigkeit für die im Vertrag enthaltenen Angaben insoweit zu fordern ist.
88. Hierzu ist erneut darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts sowohl deren Wortlaut und deren Ziel als auch der Kontext, der Regelung, zu der sie gehört, zu berücksichtigen sind(36).
89. Was den Wortlaut von Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 angeht, lässt sich aus den vom Gesetzgeber gewählten Formulierungen, nämlich im Deutschen „die Voraussetzungen für diesen Zugang“ (im Englischen „methods for having access“ oder im Französischen „modalités d'accès à ces dernières“(37)), ableiten, dass mit den den Verbrauchern zur Verfügung zu stellenden Informationen etwas anderes gemeint ist als die bloße Erwähnung verschiedener bestehender Verfahren. Meines Erachtens ist jedoch ebenso festzuhalten, dass mit diesen Formulierungen nur der „Zugang“ zu diesen Verfahren, nicht aber ihre Durchführung gemeint ist. Sie setzen nicht ein derartiges Maß an Genauigkeit voraus, dass der Kreditgeber etwa sämtliche anwendbaren Verfahrensvorschriften in allen dem Verbraucher ausgehändigten Vertragsunterlagen in extenso wiedergeben müsste.
90. Hierfür spricht meines Erachtens auch der Kontext, in dem diese Bestimmung steht, da in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 zu Beginn bestimmt ist, dass die Angaben in klarer, prägnanter Form erfolgen müssen, was beinhaltet, dass nur die wesentlichen Informationen genannt werden müssen.
91. Was schließlich das mit Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 verfolgte Ziel betrifft, weise ich darauf hin, dass „die Angabe, ob der Verbraucher Zugang zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren hat, und gegebenenfalls die Voraussetzungen für diesen Zugang“ nicht zu den Informationen gehört, die den Verbrauchern nach Art. 5 der Richtlinie 2008/48 in der vorvertraglichen Phase zur Verfügung gestellt werden müssen. Dem dürfte klar zu entnehmen sein, dass der Unionsgesetzgeber diese Informationen nicht für den Vergleich von Angeboten, sondern vielmehr für die Lösung von Problemen, die bei der Vertragsdurchführung auftreten können, als wesentlich ansah(38). Das mit dieser Vorschrift verfolgte Ziel besteht dementsprechend darin, den Verbraucher zu ermutigen, von diesen Verfahren Gebrauch zu machen. Dies spricht meines Erachtens alles dafür, dass die erteilten Informationen ausreichend sind, um Enttäuschungen in dieser Hinsicht zu vermeiden.
92. Es kann daher der Schluss gezogen werden, dass die Information über die Zugangsvoraussetzungen zu etwaigen einschlägigen außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren, die nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 in den Vertrag aufzunehmen sind, sich auf das beschränken, was erforderlich ist, um sicherzustellen, dass der Kreditnehmer in voller Kenntnis der Sachlage entscheiden kann, ob es für ihn zweckmäßig ist, eines dieser Verfahren in Anspruch zu nehmen, so dass er ferner eine solche Beschwerde oder einen solchen Rechtsbehelf einlegen kann, ohne befürchten zu müssen, dass ihm die Möglichkeit, seine Rechte geltend zu machen, dauerhaft genommen wird.
93. Dieser letztgenannte Aspekt scheint mir umso wichtiger zu sein, als Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 auf jedes außergerichtliche Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren Bezug nimmt, unabhängig davon, ob es fakultativ oder obligatorisch ist. Dieses Ziel setzt meines Erachtens jedoch nicht voraus, dass die anwendbaren Verfahrensvorschriften, einschließlich der Zulässigkeit, im Einzelnen dargelegt werden müssen, solange die Nichtbeachtung dieser Vorschriften dem Verbraucher die Möglichkeit, seine Rechte geltend zu machen, nicht endgültig nimmt.
94. Konkret bedeutet all dies, dass im Verbraucherkreditvertrag folgende Punkte angegeben sein müssen:
– alle außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren, die dem Verbraucher zur Verfügung stehen (nicht nur diejenigen, die der Kreditgeber implizit bevorzugen würde), mit Ausnahme von Ad-hoc-Verfahren;
– gegebenenfalls die mit ihnen verbundenen Kosten (und gegebenenfalls die Notwendigkeit einer Vertretung)(39);
– ob die Beschwerde oder der Rechtsbehelf auf Papier oder elektronisch einzureichen ist;
– die physische oder elektronische Adresse, an die eine solche Beschwerde oder ein solcher Rechtsbehelf zu richten ist;
– die formalen Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, jedoch nur, wenn ihre Nichtbeachtung geeignet ist, zur endgültigen Ablehnung des Begehrens, ohne Möglichkeit der Mängelbehebung, zu führen.
95. Dieses Ergebnis wird meines Erachtens durch die Richtlinie 2013/11 nicht in Frage gestellt. Zwar müssen nach Art. 13 Abs. 2 dieser Richtlinie Unternehmer unabhängig davon, um welchen Unternehmer es sich handelt, auf ihrer Website, soweit vorhanden, und gegebenenfalls in den allgemeinen Geschäftsbedingungen für Kauf- oder Dienstleistungsverträge zwischen dem Unternehmer und einem Verbraucher nur die wichtigste(n) Stelle(n) zur alternativen Streitbeilegung (AS), der (denen) diese Unternehmer angehören, einschließlich ihrer Webadresse, angeben, sofern diese Unternehmer sich verpflichten oder verpflichtet sind, diese Stellen zur Beilegung von Streitigkeiten mit Verbrauchern einzuschalten. Nach Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie haben ihre Bestimmungen jedoch nur dann Vorrang, wenn eine ihrer Bestimmungen mit einer Bestimmung eines anderen Unionsrechtsakts über von einem Verbraucher gegen einen Unternehmer eingeleitete außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren kollidiert. Da die Richtlinie 2013/11 eine Mindestharmonisierung(40) vornimmt, kann sie mit einer anderen Richtlinie nur dann kollidieren, wenn sie einen höheren Standard als diese andere Richtlinie festlegt(41). Nachdem die Richtlinie 2008/48 eindeutig höhere Informationsanforderungen stellt als die Richtlinie 2013/11, und nicht umgekehrt(42), gibt es keinen Grund, der Informationspflicht nach Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2013/11 Vorrang vor den Anforderungen von Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 einzuräumen(43).
96. Im Ausgangsverfahren der Rechtssache C‑187/20 wird in den in Rede stehenden Verbraucherkreditverträgen die Möglichkeit genannt, ein Beschwerdeverfahren vor dem Ombudsmann (Mediator) der privaten Banken einzuleiten. Dort ist auch geregelt, dass die Verfahrensordnung für die Schlichtung von Kundenbeschwerden im deutschen Bankgewerbe auf Wunsch zur Verfügung gestellt wird oder im Internet eingesehen werden kann und dass Beschwerden schriftlich an die angegebene Adresse zu richten sind.
97. Meines Erachtens ist davon auszugehen, dass diese Angaben zur Erfüllung der Anforderungen von Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 ausreichend sind, sofern es erstens keine sonstigen auf diese Art von Verträgen anwendbaren außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren gibt, zweitens das Beschwerdeverfahren vor dem Ombudsmann der privaten Banken kostenlos ist und keine anwaltliche Vertretung erfordert und es drittens keine sonstigen formalen Anforderungen an die Einreichung einer Beschwerde vor dieser Stelle als die, dass diese Beschwerde schriftlich an die angegebene Adresse zu richten ist, gibt, deren Nichteinhaltung den Beschwerdeführer endgültig vom Zugang zu diesem besonderen Verfahren ausschließen könnte.
98. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die sechste Frage in der Rechtssache C‑187/20 dahin zu beantworten, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass im Kreditvertrag Folgendes aufzuführen ist: alle außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren, die dem Verbraucher zur Verfügung stehen, und gegebenenfalls die Kosten dieser Verfahren, ob die Beschwerde oder der Rechtsbehelf auf Papier oder elektronisch einzureichen ist, die physische oder elektronische Adresse, an die eine solche Beschwerde oder ein solcher Rechtsbehelf zu richten ist, sowie die zu beachtenden formalen Voraussetzungen, soweit ihre Nichtbeachtung zum Verlust jeglicher Möglichkeit des Verbrauchers, seine Rechte geltend zu machen, führen könnte.
D. Vierte Frage in der Rechtssache C‑155/20 und siebte Frage in der Rechtssache C‑187/20
99. Mit seiner vierten Frage in der Rechtssache C‑155/20 und seiner siebten Frage in der Rechtssache C‑187/20 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass der Kreditgeber sich auf den Einwand der Verwirkung berufen kann, wenn der Verbraucher sein Widerrufsrecht deutlich nach Ablauf der Frist nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a von 14 Tagen ab Vertragsschluss ausübt, weil eine Angabe nach Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie im Vertrag nicht enthalten oder nicht nachträglich erteilt worden ist. Das vorlegende Gericht möchte außerdem geklärt wissen, ob, falls diese Frage zu bejahen ist, der Umstand, dass der Kreditnehmer nicht wusste, dass sein Widerrufsrecht über die in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 vorgesehene Frist von 14 Tagen hinaus fortbestand, der Geltendmachung eines solchen Einwands der Verwirkung entgegenstehen kann.
100. Ausgangspunkt ist hier der Wortlaut von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48, wonach „[d]er Verbraucher … innerhalb von vierzehn Kalendertagen ohne Angabe von Gründen den Kreditvertrag widerrufen [kann]“. Nach Satz 2 dieser Bestimmung beginnt diese Frist entweder am Tag des Abschlusses des Kreditvertrags (Buchst. a) oder an dem Tag, an dem der Verbraucher „die Vertragsbedingungen und die Informationen gemäß Artikel 10 erhält, sofern dieser nach dem … genannten Datum liegt“ (Buchst. b).
101. Entgegen dem Vorbringen der Kommission ist die Frage, ob möglicherweise eine Frist gilt, nicht in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt, sondern gehört zu den durch die Richtlinie 2008/48 harmonisierten Bereichen. Dürften die Mitgliedstaaten die Länge dieser Frist in ihrem eigenen nationalen Recht regeln, könnten sie meines Erachtens nämlich die durch Art. 14 Abs. 1 Buchst. a bewirkte Harmonisierung beeinträchtigen, indem sie für die Frist zur Ausübung des Widerrufsrechts die Bestimmungen von Art. 14 Abs. 1 Buchst. b anwenden. Damit, dass der Unionsgesetzgeber diese Regelung nicht an eine Frist geknüpft hat, wollte er den Verbrauchern bewusst einen Widerruf solange ermöglichen, wie sie nicht alle Informationen erhalten haben, und zwar unabhängig von der Art (und somit der wirtschaftlichen Bedeutung) der nicht erteilten Informationen.
102. Vor diesem Hintergrund ist das Fehlen einer Frist genau das Ergebnis, das der Unionsgesetzgeber erreichen wollte, um diejenigen Kreditgeber zu sanktionieren, die ihren Informationspflichten nach Art. 10 dieser Richtlinie nicht nachkommen. Es handelt sich daher um eine zusätzliche Sanktion neben derjenigen, die die Mitgliedstaaten nach Art. 23 der Richtlinie vorsehen müssen, die aber nicht in ihr Ermessen gestellt ist.
103. Unter diesen Umständen ist der Umstand, dass Kreditgeber sich nicht auf eine Ausschlussfrist berufen können, als ein Aspekt der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Verbraucherkreditverträge anzusehen, von dem davon auszugehen ist, dass er in den Anwendungsbereich der durch diese Richtlinie erfolgten vollständigen Harmonisierung fällt.
104. Hiermit wird letztlich nichts anderes gesagt, als dass aus dieser gesetzlichen Regelung offenbar implizit folgt, dass ein Kreditgeber sich nicht auf den tatsächlichen Kenntnisstand des Verbrauchers berufen kann, um seinen eigenen Verstoß gegen die Informationsanforderungen nach Art. 10 dieser Richtlinie zu rechtfertigen.
105. Dies gilt erst recht, wenn man die Bestimmungen dieser Richtlinie mit denjenigen anderer, ein Widerrufsrecht für Verbraucher vorsehender Richtlinien vergleicht, wobei sich zeigt, dass der Unionsgesetzgeber dann, wenn er einem gewerbsmäßig tätigen Unternehmer die Berufung auf eine Frist ermöglichen wollte, dies ausdrücklich erwähnt hat, wie beispielsweise in Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2011/83/EU(44). Wenngleich diese Richtlinie zeitlich nach der Richtlinie 2008/48 ergangen ist, hat der Unionsgesetzgeber von einer Änderung der Richtlinie 2008/48 zur Verfolgung einer ähnlichen Lösung abgesehen.
106. Dies vorausgeschickt, stelle ich fest, dass Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 ein Widerrufs- und kein Rücktrittsrecht begründet(45). Da die Vertragserfüllung die natürliche Form des Erlöschens einer derartigen vertraglichen Verpflichtung ist, würde ich somit zu dem Schluss kommen, dass Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie dahin auszulegen ist, dass das in dieser Bestimmung vorgesehene Widerrufsrecht nicht mehr ausgeübt werden kann, sobald der Kreditvertrag von beiden Parteien vollständig erfüllt worden ist.
107. Diese Schlussfolgerung wird durch den 34. Erwägungsgrund der Richtlinie 2008/48 bestätigt, wonach diese Richtlinie ein Widerrufsrecht entsprechend den in der Richtlinie 2002/65 vorgesehenen Bedingungen vorsieht, während nach Art. 6 Abs. 2 Buchst. c der letztgenannten Richtlinie das durch sie geschaffene Widerrufsrecht ausgeschlossen ist bei „Verträgen, die auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers von beiden Seiten bereits voll erfüllt sind, bevor der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt“(46).
108. Ferner sei daran erinnert, dass der Zweck der Informationspflichten in Art. 10 der Richtlinie 2008/48 darin besteht, den Verbraucher in die Lage zu versetzen, vom Umfang seiner Rechte und Pflichten bei der Vertragsdurchführung Kenntnis zu nehmen. Diese Verpflichtungen sind daher obsolet, sobald der Vertrag vollständig erfüllt worden ist. Es erscheint daher zur Erreichung der mit dieser Vorschrift verfolgten Ziele nicht erforderlich, dem Verbraucher die Ausübung seines Widerrufsrechts zu ermöglichen, sobald der Vertrag tatsächlich bereits erfüllt ist.
109. Vor diesem Hintergrund schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die vierte Frage in der Rechtssache C‑155/20 und die siebte Frage in der Rechtssache C‑187/20 dahin zu antworten, dass Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass der Kreditgeber den Verbraucher nicht an der Ausübung seines Widerrufsrechts hindern darf, falls noch nicht alle in Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie genannten Informationen in den Kreditvertrag aufgenommen sind. Dieses Recht kann jedoch nicht mehr ausgeübt werden, sobald alle vom Vertrag erfassten Verpflichtungen vollständig erfüllt sind.
E. Fünfte Frage in der Rechtssache C‑155/20 und achte Frage in der Rechtssache C‑187/20
110. Mit der fünften Frage in der Rechtssache C‑155/20 und der achten Frage in der Rechtssache C‑187/20 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Kreditgeber der Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48 den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten kann, wenn seit dem Vertragsschluss bereits ein erheblicher Zeitraum verstrichen ist.
111. Zunächst ist festzustellen, dass die Richtlinie 2008/48 keine Vorschriften über einen möglichen Missbrauch der von ihr eingeräumten Rechte enthält. Außerdem ist es den Mitgliedstaaten verwehrt, sich auf Bestimmungen oder Grundsätze, selbst wenn sie im Verfassungsrang stehen, zu berufen, um die Anwendung des Unionsrechts zu verhindern(47).
112. Festgehalten sei indes, dass im Unionsrecht der allgemeine Rechtsgrundsatz verankert ist, wonach die Rechtsunterworfenen sich nicht in betrügerischer oder missbräuchlicher Weise auf die Rechtsvorschriften der Union berufen dürfen(48). Demzufolge ist in den unionsrechtlich geregelten Bereichen die Möglichkeit, sich auf den missbräuchlichen Charakter der Ausübung eines Rechts durch eine Person zu berufen, das ihr aus diesem Recht erwächst, ausschließlich anhand dieses Grundsatzes und nicht anhand der Anforderungen des nationalen Rechts zu beurteilen.
113. Im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens ist es Sache des Gerichtshofs, die Tragweite eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes des Unionsrechts klarzustellen, indem er gegebenenfalls die Auslegung dieses Grundsatzes unter den vom vorlegenden Gericht in seiner Frage in Betracht gezogenen Umständen konkretisiert(49), und es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob diese Situation dem Sachverhalt der Rechtssache entspricht, und folglich zu einer endgültigen Entscheidung über die richtige Anwendung dieses Grundsatzes im Einzelfall zu gelangen(50).
114. Was den allgemeinen Grundsatz des Verbots des Rechtsmissbrauchs angeht, hatte der Gerichtshof bereits Gelegenheit zu betonen, dass die Anwendung dieses Grundsatzes das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Tatbestandsmerkmals verlangt(51).
115. Was das objektive Merkmal anbelangt, bedeutet dies, dass sich aus der Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergibt, dass trotz formaler Einhaltung der unionsrechtlichen Voraussetzungen das durch Ausübung des betreffenden Rechts eintretende Ergebnis eindeutig gegen die mit diesen Vorschriften verfolgten Ziele verstößt(52).
116. Was das subjektive Merkmal anbelangt, muss sich aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte ergeben, dass der wesentliche Zweck der betreffenden Handlungen darin besteht, einen ungerechtfertigten Vorteil aus der Anwendung des Unionsrechts zu erlangen. Demzufolge ist der Grundsatz des Verbots missbräuchlicher Praktiken nicht anwendbar, wenn die in Rede stehenden Handlungen, also insbesondere die Entscheidung, bestimmte rechtliche Optionen auszuüben oder bestimmte Gestaltungen zu wählen, wahrscheinlich eine andere eigenständige Rechtfertigung haben als die bloße Erlangung eines solchen Vorteils(53).
117. In der vorliegenden Rechtssache ist unstreitig, dass der Zweck des Widerrufsrechts nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 darin besteht, dem Verbraucher die Möglichkeit zu geben, seine Entscheidung rückgängig zu machen, wenn er es nach Erhalt aller in Art. 10 dieser Richtlinie genannten Informationen letztlich für besser hält, den vorgeschlagenen Kredit nicht aufzunehmen(54).
118. Ich möchte jedoch betonen, dass es in dem dem vorlegenden Gericht zur Entscheidung vorliegenden Fall nicht um die Ausübung des Widerrufsrechts als solches geht, sondern um die Möglichkeit einer Berufung auf Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/48, wonach dieses Recht ohne zeitliche Begrenzung geltend gemacht werden kann, solange dem Verbraucher die in Art. 10 dieser Richtlinie genannten Informationen nicht mitgeteilt worden sind. Wie ich bereits erläutert habe, besteht der Zweck dieser Bestimmung meines Erachtens gerade darin, Kreditgeber dafür zu bestrafen, dass sie die erforderlichen Informationen nicht erteilen.
119. Insoweit dürfte meines Erachtens in Fällen dieser Art, in denen die erforderlichen Informationen nicht vorgelegt wurden, allein der Umstand, dass ein Verbraucher sein Widerrufsrecht mehrere Jahre nach Vertragsschluss ausübt, zu diesem Ziel niemals in Widerspruch stehen können, sondern vielmehr mit ihm völlig im Einklang stehen(55).
120. Da das erste Tatbestandsmerkmal eines Rechtsmissbrauchs unter den gegebenen Umständen zwangsläufig nicht gegeben sein kann, kann ein Kreditgeber meines Erachtens einer Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher in einem späten Stadium nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten, wenn der Kreditgeber ihm zuvor nicht alle Informationen nach Art. 10 der Richtlinie 2008/48 mitgeteilt hatte.
121. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Kläger, selbst diejenigen, bei denen der Kreditvertrag zum Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufsrechts noch nicht vollständig durchgeführt war, zu Recht behaupten, dass der Kreditgeber aufgrund dieses Widerrufs verpflichtet sei, ihnen die gezahlten Monatsraten nebst Zinsen gegen Rückgabe des Fahrzeugs an den Verkäufer in voller Höhe zu erstatten. Der Umstand, dass die Ausübung des Widerrufsrechts durch Verbraucher nicht missbräuchlich ist, bedeutet nämlich nicht, dass sie die von den Klägern geltend gemachten Folgen haben sollte oder gar könnte.
122. Insoweit sei als Erstes darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 vorsehen müssen, dass der Verbraucher dem Kreditgeber im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts nicht nur die Darlehenssumme, sondern auch die hierauf aufgelaufenen Zinsen zurückzuzahlen hat, die auf der Grundlage des vereinbarten Sollzinssatzes ab dem Zeitpunkt der „Inanspruchnahme“ des Kredits durch den Verbraucher (d. h. im allgemeinen Sprachgebrauch: der Verwendung)(56) bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung des Darlehens zu berechnen sind.
123. Zwar können die Mitgliedstaaten im Rahmen der Sanktionen, die sie nach Art. 23 der Richtlinie 2008/48 einzuführen haben, vorsehen, dass das Fehlen bestimmter Pflichtangaben im Kreditvertrag zum Verlust der Kreditzinsen führen kann. Wie sich jedoch aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt, müssen die im Falle eines Verstoßes gegen das Unionsrecht zu verhängenden Sanktionen verhältnismäßig sein. Aus alledem folgt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Härte der Sanktionen der Schwere der mit ihnen geahndeten Verstöße entsprechen muss, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt(57).
124. Unter diesem Gesichtspunkt ist darauf hinzuweisen, dass zum einen die Darlehenszinsen nicht nur eine Vergütung für die Verwaltung des Darlehens darstellen, sondern gegebenenfalls auch den Geldwertverlust ausgleichen. Zum anderen führt das Unterbleiben irgendeiner Angabe nach Art. 10 der Richtlinie 2008/48 schon zu einer Verlängerung der Widerrufsfrist. Demzufolge dürfte bei Informationen, die sich nicht auf den Inhalt des Vertrags, sondern lediglich auf dessen rechtliches Umfeld beziehen, wie etwa bei Informationen über außergerichtliche Verfahren, deren Nichtangabe im Vertrag einen vollständigen Verlust dieses Zinsanspruchs nicht rechtfertigen(58). Eine solche Nichtangabe ist weitaus weniger schwerwiegend als z. B. das Fehlen einer Beurteilung der Kreditwürdigkeit des Antragstellers(59) oder das Fehlen der Angabe der AS oder bestimmter Informationen über die Kosten des Darlehens für den Verbraucher(60). Die Mitgliedstaaten verfügen in dieser Hinsicht meines Erachtens über einen gewissen Ermessensspielraum und können vorsehen, dass die fehlende Zurverfügungstellung bestimmter Angaben, die nicht mit den Verpflichtungen der Parteien zusammenhängen, durch die Zuerkennung eines pauschalen Schadensersatzes auszugleichen ist.
125. Ebenso dürfte es in den Fällen, in denen der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltende Verzugszinssatz als konkrete Zahl, wie in der ersten Frage erwähnt, nicht ausdrücklich genannt worden ist, da diese Angabe sich nicht auf die Kosten des Kredits selbst, sondern auf einen etwaigen Verzug bezieht, meines Erachtens eher dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, wenn dieses Versäumnis dadurch geheilt würde, dass der Kreditgeber seinen Anspruch auf die im Vertrag vorgesehenen Verzugszinsen (nicht die Darlehenszinsen) verlöre, erforderlichenfalls erweitert um die Zuerkennung von Schadensersatz.
126. Als Zweites ist zu den Folgen des Widerrufs eines Kreditvertrags für einen Vertrag über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, die mit diesem Kredit finanziert werden, festzustellen, dass diese Folgen in der Richtlinie 2008/48 nicht geregelt sind(61). Zwar kann in einem solchen Fall der aufgenommene Kredit als verbundener Kredit angesehen werden, falls die Voraussetzungen nach Art. 3 Buchst. n der Richtlinie 2008/48 erfüllt sind. Die einzige Bestimmung der Richtlinie 2008/48, die sich auf die Folgen der Ausübung eines Widerrufsrechts bei verbundenen Krediten bezieht, nämlich Art. 15 Abs. 1, betrifft jedoch den Fall, dass ein Verbraucher dieses Recht in Bezug auf einen Vertrag über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen ausübt. Es gibt jedoch keine Bestimmung, die den Fall regelt, dass das ausgeübte Widerrufsrecht einen Kredit betrifft.
127. Daraus lässt sich somit schließen, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, die Wirkungen einer Ausübung des Widerrufsrechts bei Verbraucherkrediten für durch diese finanzierte Kaufverträge näher zu regeln. Dies wird durch den 35. Erwägungsgrund bestätigt, der lautet, „[t]ritt ein Verbraucher von einem Kreditvertrag, aufgrund dessen er Waren erhalten hat, zurück … sollte diese Richtlinie unbeschadet anderer Vorschriften der Mitgliedstaaten gelten, die die Rückgabe der Waren oder damit zusammenhängende Fragen regeln“.
128. Auch wenn das Ermessen der Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht nicht unbegrenzt ist, da sie die Wirksamkeit des in der Richtlinie 2008/48 vorgesehenen Widerrufsrechts nicht beeinträchtigen dürfen, sind sie gleichwohl befugt, die Folgen der Ausübung dieses Rechts für den Kaufvertrag zu regeln. Ich kann insbesondere nicht erkennen, was einen Mitgliedstaat daran hindern sollte, dem Verkäufer, wenn die Ausübung des Widerrufsrechts zur rückwirkenden Aufhebung des Kaufs führt, eine Berücksichtigung des infolge ihrer Benutzung durch den Verbraucher eingetretenen Wertverlusts der zurückgegebenen Waren zu ermöglichen.
129. Meines Erachtens wäre sogar naheliegend, die Ansicht zu vertreten, dass die Mitgliedstaaten unter bestimmten Umständen verpflichtet sind, vorzuschreiben, dass der Verbraucher dem Verkäufer eine solche Entschädigung zahlt, wie im Übrigen im Rahmen ihres jeweiligen Anwendungsbereichs in Art. 7 der Richtlinie 2002/65 und in Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2011/83 vorgesehen ist(62). Das Verbot der ungerechtfertigten Bereicherung ist nämlich ein den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamer Grundsatz, der vom Gerichtshof zumindest implizit als einer der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts anerkannt worden ist(63). Nach diesem Grundsatz hat eine Person, die einen Verlust erlitten hat, der zu einem Vermögenszuwachs bei einer anderen Person geführt hat, ohne dass ein gültiger Rechtsgrund für diese Bereicherung besteht, gegen den Bereicherten einen Herausgabeanspruch bis zur Höhe dieses Verlusts(64).
130. Da es sich bei dem in den vorliegenden Rechtssachen in Rede stehenden Widerrufsrecht um eine Frage des Unionsrechts handelt, müssen die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Folgen der Ausübung dieses Rechts den vom Gerichtshof festgestellten Grundsatz des Bereicherungsverbots beachten.
131. Insoweit sei darauf hingewiesen, dass dann, wenn nach dem nationalen Recht im Falle eines Widerrufs des Kreditvertrags ein etwaiger verbundener Kaufvertrag als aufgehoben gilt, dem Verkäufer möglicherweise ein Schaden entsteht, während der Käufer wahrscheinlich einen Vermögenszuwachs erfährt. Dies ist typischerweise der Fall beim Verkauf eines kreditfinanzierten Fahrzeugs, da das Auto am Gebrauchtwagenmarkt je nach Marke und Modell mit dem ersten gefahrenen Kilometer einen Wertverlust von 10 % bis 30 % erfährt. So wird dem Verkäufer, der ein Fahrzeug zurücknehmen müsste, zwangsläufig ein Verlust entstehen. Was den Käufer betrifft, wird er zwangsläufig den Wert seines Vermögens steigern, da er diesen Wertverlust nicht tragen muss.
132. Zwar kann der Grundsatz des Bereicherungsverbots keine Anwendung finden im Fall eines Verschuldens, so dass er nicht anwendbar wäre, wenn der Verkäufer gegen die Bestimmungen der Richtlinie 2008/48 tatsächlich verstoßen hätte. Der Verkäufer der Waren ist jedoch nur dann als Mitverantwortlicher für einen Verstoß gegen Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 durch unzureichende Angaben in dem unterzeichneten Kreditvertrag anzusehen, wenn der Verkäufer am Abschluss oder an der Vorbereitung des Kreditvertrags beteiligt war, was lediglich einen der Fälle darstellt, der unter den Begriff „verbundener Kredit“ im Sinne von Art. 3 Buchst. n der Richtlinie 2008/48 fällt(65). In jedem anderen Fall sollte der Verkäufer sich auf den Grundsatz der ungerechtfertigten Bereicherung berufen können.
133. Dementsprechend können die Mitgliedstaaten meines Erachtens für den Fall, dass ein Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt, zumindest freiwillig vorsehen, dass der Verkäufer von der Rückzahlung einen Abzug für den Wertverlust des Fahrzeugs vornimmt. Es ist meines Erachtens zuzugestehen, dass diese Lösung einen Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abhalten könnte, dies ist meines Erachtens jedoch eine regelmäßige Folge des Umstands, dass er die betreffenden Waren oder Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit nutzen konnte(66). Selbst wenn die Ausübung des Widerrufsrechts durch einige der Kläger sich als nicht rechtsmissbräuchlich erweist, kann der Verkäufer somit zur vollständigen Rückerstattung des Werts der Fahrzeuge an den Käufer nur dann verpflichtet sein, wenn das nationale Recht eine solche Lösung als Sanktion für den Verstoß des Verkäufers gegen bestimmte Verpflichtungen, wie etwa die Verpflichtung, Käufern die Dienstleistungen ausschließlich solcher Kreditunternehmen anzubieten, deren Verträge mit den Bestimmungen der Richtlinie 2008/48 im Einklang stehen, ausdrücklich vorsieht. Die Feststellung, was geltendes Recht ist, ist Sache der nationalen Gerichte.
134. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die fünfte Frage in der Rechtssache C‑155/20 und die achte Frage in der Rechtssache C‑187/20 dahin zu beantworten, dass der Kreditgeber der Ausübung des Widerrufsrechts nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48 durch den Verbraucher den unionsrechtlichen Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht allein mit der Begründung entgegenhalten kann, dass seit Vertragsschluss bereits ein erheblicher Zeitraum verstrichen ist. Aus den soeben dargelegten Gründen bedeutet dies jedoch nicht, dass die Mitgliedstaaten nicht befugt – oder gar verpflichtet – sind, im Rahmen ihrer eigenen Rechtsordnung geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass den Kreditgebern aufgrund der Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher kein finanzieller Verlust entsteht.
V. Ergebnis
135. Meines Erachtens sollte der Gerichtshof die vom Landgericht Ravensburg (Deutschland) vorgelegten Fragen wie folgt beantworten:
1. Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates ist dahin auszulegen, dass der Kreditvertrag zum einen den zum Zeitpunkt seines Abschlusses geltenden Verzugszinssatz als Prozentsatz angeben muss und zum anderen, falls dieser Zinssatz sich ändern kann, die Berechnungsformel angeben muss, nach der er berechnet wird, sowie, sofern insoweit auf einen Referenzzinssatz oder Referenzwert als Variable zurückgegriffen wird, das Datum seiner Bekanntgabe sowie wo und von wem er bekanntgegeben wurde.
2. Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass im Kreditvertrag Folgendes aufzuführen ist: alle außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren, die dem Verbraucher zur Verfügung stehen, und gegebenenfalls die Kosten dieser Verfahren, ob die Beschwerde oder der Rechtsbehelf auf Papier oder elektronisch einzureichen ist, die physische oder elektronische Adresse, an die eine solche Beschwerde oder ein solcher Rechtsbehelf zu richten ist, sowie die zu beachtenden formalen Voraussetzungen, soweit ihre Nichtbeachtung zum Verlust jeglicher Möglichkeit des Verbrauchers, seine Rechte geltend zu machen, führen könnte.
3. Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 ist dahin auszulegen, dass der Kreditgeber den Verbraucher nicht an der Ausübung seines Widerrufsrechts hindern darf, falls noch nicht alle in Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie genannten Angaben in den Kreditvertrag aufgenommen sind. Dieses Recht kann jedoch nicht mehr ausgeübt werden, sobald alle vom Vertrag erfassten Verpflichtungen vollständig erfüllt sind.
4. Der Kreditgeber kann der Ausübung des Widerrufsrechts nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/48 durch den Verbraucher den unionsrechtlichen Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht allein mit der Begründung entgegenhalten, dass seit Vertragsschluss bereits ein erheblicher Zeitraum verstrichen ist, sofern die erforderlichen Informationen vom Kreditgeber nicht vorgelegt wurden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Mitgliedstaaten nicht befugt – oder gar verpflichtet – sind, im Rahmen ihrer eigenen Rechtsordnung geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass den Kreditgebern aufgrund der Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher kein finanzieller Verlust entsteht.
1 Originalsprache: Englisch.
2 Die vorliegenden Rechtssachen verdeutlichen ferner, dass es im Verbraucherrecht der Union je nach Art der betreffenden Tätigkeit teils unterschiedliche Ansätze zum Umfang bestimmter Informationspflichten oder des Widerrufsrechts gibt und dass möglicherweise eine vollständige Überarbeitung der bestehenden Regelungen notwendig ist, um die verschiedenen Bestimmungen miteinander kohärenter zu gestalten.
3 Was diese Dokumente angeht, geht das vorlegende Gericht offenbar davon aus, dass sie von dem in den Rechtssachen C‑33/20 und C‑155/20 genannten Problem der Paginierung nicht betroffen seien und daher aus Sicht des deutschen Rechts als Vertragsbestandteil angesehen werden könnten.
4 Im Vertrag von DT sei ferner festgelegt, dass der Kredit in gleichbleibenden Monatsraten und einer höheren Schlussrate zurückzuzahlen sei.
5 Urteil vom 7. August 2018, Smith (C‑122/17, EU:C:2018:631, Rn. 39). Vgl. hierzu auch Urteile vom 19. April 2016, DI (C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 31), und vom 22. Januar 2019, Cresco Investigation (C‑193/17, EU:C:2019:43, Rn. 73).
6 Vgl. hierzu Urteile vom 19. April 2016, DI (C‑441/14, EU:C:2016:278, Rn. 32), vom 22. Januar 2019, Cresco Investigation (C‑193/17, EU:C:2019:43, Rn. 74), und vom 5. September 2019, Pohotovosť (C‑331/18, EU:C:2019:665, Rn. 56).
7 Richtlinie des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).
8 Vgl. ferner Urteil vom 5. September 2019, Pohotovosť (C‑331/18, EU:C:2019:665, Rn. 41), und vom 26. März 2020, Kreissparkasse Saarlouis (C‑66/19, EU:C:2020:242, Rn. 36).
9 Die Frage der Unterlegenheit des Verbrauchers in Bezug auf die Verhandlungsposition ist in anderen unionsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere den in der Richtlinie 93/13 enthaltenen Vorschriften, in einschlägigerer Weise geregelt.
10 Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juli 2012, SC Volksbank România (C‑602/10, EU:C:2012:443, Rn. 38).
11 Unter diesem Gesichtspunkt ist wichtig, im Blick zu behalten, dass sich die Richtlinie 2008/48 auf vertragliche Informationspflichten konzentriert und nicht etwa Fragen des Vertragsinhalts oder der Verpflichtungen betrifft, die die Parteien hätten eingehen sollen oder nicht. Daher sind, wie in Art. 10 Abs. 1 geregelt, bestimmte, nach nationalem Recht für die Wirksamkeit des Austauschs der Einwilligungen bestehende Formerfordernisse nicht ohne Weiteres für die Beurteilung relevant, ob die nach dieser Richtlinie bestehenden Informationspflichten erfüllt sind.
12 Urteile vom 9. November 2016, Home Credit Slovakia (C‑42/15, EU:C:2016:842, Rn. 31), und vom 26. März 2020, Kreissparkasse Saarlouis (C‑66/19, EU:C:2020:242, Rn. 35).
13 Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. März 2020, Kreissparkasse Saarlouis (C‑66/19, EU:C:2020:242, Rn. 45).
14 In der Praxis lesen, abgesehen von den rechtlich Interessierten, sehr wenige Verbraucher, die Verträge, die sie unterzeichnen, im Detail. Vgl. insbesondere Office of Fair Trading, „Consumer contracts“, Februar 2011, S. 1, 116. Erst in der Phase der Vertragsdurchführung, wenn Probleme auftreten, beginnt der Verbraucher, sich für den Inhalt des Vertrags zu interessieren.
15 Vgl. Urteile vom 21. März 2013, RWE Vertrieb (C‑92/11, EU:C:2013:180, Rn. 50), und vom 26. März 2020, Kreissparkasse Saarlouis (C‑66/19, EU:C:2020:242, Rn. 47 und 48). Zwar muss nach der Rechtsprechung ein „Vertrag“ im Sinne des Begriffs der Richtlinie 2008/48, und nicht im Sinne der für seine Wirksamkeit maßgebenden Bestimmungen, nicht unbedingt in einem einzigen Dokument enthalten sein. Da das Hauptziel der Richtlinie 2008/48 jedoch darin besteht, den Umfang der Informationspflichten, die in den verschiedenen Mitgliedstaaten vorgesehen werden können, zu harmonisieren, kann es nicht darauf ankommen, ob Bestimmungen, die zwingende Regelungen enthalten, in einem Mitgliedstaat Bestandteil des Vertrags im Sinne der Richtlinie 2008/48 sein müssen, da dies zu diesem Ziel im Widerspruch stünde. Angesichts dessen, dass die Richtlinie 2008/48 auf Informationen ausgerichtet ist, ist der Begriff „Vertrag“ meines Erachtens eindeutig dahin zu verstehen, dass damit ein oder mehrere physische Dokumente gemeint sind. Dies wird durch Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie bestätigt, wonach allen Vertragsparteien eine Ausfertigung des Kreditvertrags auszuhändigen ist.
16 Vgl. z. B. Cambridge Dictionary. Sowohl in der finanzwirtschaftlichen als auch in der allgemeinsprachlichen Bedeutung besteht ein Unterschied zwischen einem Zins- und einem Referenzzinssatz: Während der Erstere sich auf den Prozentsatz zur Berechnung eines als Gegenleistung für eine Leistung oder als Schadensersatz zu zahlenden Betrags bezieht, bezieht sich der Letztere auf die Verwendung eines Referenzwerts in Gestalt eines Zinssatzes zur Berechnung dieser Vergütung. Vgl. die Definition des Begriffs „reference rate“ auf der globalen Referenz-Website im Finanzwesen Investopedia. Es ist lediglich durch sprachliche Ungenauigkeiten bedingt, wenn der Begriff „Zinssatz“ bisweilen nicht im Sinne eines Bruchteils von Hundert, sondern im Sinne der Formel zu seiner Berechnung zu einem bestimmten Zeitpunkt verwendet wird.
17 Zwar heißt es in Art. 3 Buchst. j der Richtlinie 2008/48, dass sich „Sollzinssatz“ auf einen möglicherweise variablen Zinssatz bezieht. In der Mathematik oder im Finanzwesen ist ein Zinssatz jedoch variabel, wenn sich der ausgedrückte Prozentsatz ändern kann. Dass ein Zinssatz variabel sein kann, bedeutet daher nicht, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 als Bezugnahme auf eine Berechnungsformel verstanden werden sollte.
18 Das Vorbringen der deutschen Regierung, wonach dann, wenn Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen wäre, dass damit eine konkrete Zahl gemeint wäre, dies im Licht von Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 zur Folge hätte, dass sich die Widerrufsfrist bei jeder Änderung dieses Satzes verlängern würde, erscheint mir nicht sehr stichhaltig, da nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 gerade nur die Angabe des am Tag des Vertragsschlusses geltenden Zinssatzes erforderlich ist.
19 Diesem Verständnis steht Art. 3 Buchst. k letzter Satz der Richtlinie 2008/48 nicht entgegen, wonach dann, wenn im Kreditvertrag nicht alle Sollzinssätze festgelegt sind, der Sollzinssatz nur für diejenigen Teilzeiträume der Gesamtlaufzeit als vereinbart gilt, für die die Sollzinssätze ausschließlich durch einen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vereinbarten bestimmten festen Prozentsatz festgelegt wurden. Art. 3 Buchst. j der Richtlinie ist nämlich zu entnehmen, dass feste Sollzinssätze eine Untergruppe der Sollzinssätze sind, die ihrerseits stets Prozentsätze sind, da es sich nach dem Wortlaut dieser Bestimmung um einen „als festen oder variablen periodischen Prozentsatz ausgedrückten Zinssatz“ handelt (Hervorhebung nur hier). Dementsprechend ist Art. 3 Buchst. k der Richtlinie dahin zu verstehen, dass dann, wenn nicht alle den anwendbaren Sollzinssatz ausdrückenden Prozentsätze im Vertrag festgelegt sind, diese Zinssätze als nur für die Zeiträume festgelegt gelten, für die sie ausschließlich durch einen bestimmten, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vereinbarten festen Prozentsatz und nicht durch Prozentsätze, die zu einem bestimmten Zeitpunkt durch Anwendung einer Formel oder eines Referenzindexes berechnet werden, bestimmt wurden.
20 In der Praxis ist der geltende Verzugszinssatz im Allgemeinen gesetzlich festgelegt. Was in diesem Zusammenhang im Licht des mit der Richtlinie verfolgten Ziels der Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus seine Bedeutung behält, ist die Möglichkeit für den Verbraucher, eine klare Vorstellung von diesem Zinssatz zu erlangen.
21 Hervorhebung nur hier.
22 Vgl. z. B. Urteil vom 3. September 2020, Profi Credit Polska u. a. (C‑84/19, C‑222/19 und C‑252/19, EU:C:2020:631, Rn. 74).
23 Urteil vom 5. Oktober 2000, Deutschland/Parlament und Rat (C‑376/98, EU:C:2000:544, Rn. 95).
24 Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Schyns (C‑58/18, EU:C:2019:120, Nr. 43) und entsprechend die Begründung des Gerichtshofs im Urteil vom 2. Mai 2019, Fundación Consejo Regulador de la Denominación de Origen Protegida Queso Manchego (C‑614/17, EU:C:2019:344, Rn. 46 bis 50).
25 Insoweit möchte ich darauf hinweisen, dass diesem Ergebnis nicht entgegensteht, dass manche Verträge variable Zinssätze haben mögen. Zum einen hindert dieser Umstand nicht daran, den zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Basiszinssatz anzugeben. Zum anderen können Vertragsmanagement-Tools genutzt werden, um etwaige Aktualisierungen von Verbraucherinformationen zu verwalten.
26 Vgl. entsprechend Urteil vom 26. März 2020, Kreissparkasse Saarlouis (C‑66/19, EU:C:2020:242, Rn. 48).
27 Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2014/17/EU sowie der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 (ABl. 2016, L 171, S. 1). Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 dieser Verordnung definiert einen „Referenzwert“ als „jeden Index, auf den Bezug genommen wird, um den für ein Finanzinstrument oder einen Finanzkontrakt zahlbaren Betrag oder den Wert eines Finanzinstruments zu bestimmen, oder einen Index, der verwendet wird, um die Wertentwicklung eines Investmentfonds zwecks Rückverfolgung der Rendite dieses Indexes oder der Bestimmung der Zusammensetzung eines Portfolios oder der Berechnung der Anlageerfolgsprämien (Performance Fees) zu messen“.
28 Im Fall eines Verzugszinssatzes, der auf der Grundlage eines von einer Zentralbank herausgegebenen Referenzindexes berechnet wird, setzt die Unterrichtung des Verbrauchers über die möglichen Auswirkungen dieses Indexes voraus, dass der Verbraucher darüber informiert wird, wie der jeweilige Index sich abbildet, d. h. über die Formel für die Berechnung des Verzugszinssatzes, in die dieser Index einfließt, sowie über die Periodizität, mit der der jeweilige Index bekanntgegeben wird, da diese wiederum maßgebend für die Volatilität des geltenden Zinssatzes ist.
29 Im Übrigen werden die Referenzwerte, Indizes oder Zinssätze, die zur Berechnung eines Verzugszinssatzes herangezogen werden können, im Allgemeinen im nationalen Recht festgelegt, was auch im deutschen Recht der Fall ist.
30 Urteil vom 3. September 2020, Profi Credit Polska u. a. (C‑84/19, C‑222/19 und C‑252/19, EU:C:2020:631, Rn. 75).
31 Urteil vom 21. Oktober 2020, Möbel Kraft (C‑529/19, EU:C:2020:846, Rn. 21). Dies gilt umso mehr, als die Richtlinie 2008/48 in den von ihr erfassten Bereichen eine vollständige Harmonisierung bewirkt.
32 Vgl. in diesem Sinne Art. 24 der Richtlinie 2008/48: „dabei sind gegebenenfalls die bestehenden Einrichtungen zu nutzen“. Hervorhebung nur hier.
33 Wie ich erläutert habe, lässt sich daraus, dass die Richtlinie Informationspflichten auf verschiedenen Stufen des Vertragsprozesses vorsieht und dass einige der genannten Informationen nicht unmittelbar mit dem Vertrag zusammenhängen, wie z. B. die Informationen über das Bestehen außergerichtlicher Verfahren, ableiten, dass Art. 10 der Richtlinie 2008/48 den Vertrag zumindest teilweise zu einem Dokument machen soll, das der Verbraucher bei seiner Durchführung heranziehen kann, wenn er Fragen hat.
34 Urteil vom 5. Juli 2012, Content Services (C‑49/11, EU:C:2012:419, Rn. 36 und 37).
35 Vgl. z. B. Urteile vom 21. März 2013, RWE Vertrieb (C‑92/11, EU:C:2013:180, Rn. 50), und vom 26. März 2020, Kreissparkasse Saarlouis (C‑66/19, EU:C:2020:242, Rn. 46 bis 49).
36 Vgl. z. B. Urteile vom 12. Juni 2014, Lukoyl Neftohim Burgas (C‑330/13, EU:C:2014:1757, Rn. 59), oder vom 27. März 2019, slewo (C‑681/17, EU:C:2019:255, Rn. 31).
37 Zwar ist die Verfügbarkeit außergerichtlicher Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren in den „Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite“ genannt, die in der vorvertraglichen Phase mitzuteilen sind. Festzuhalten ist indes, dass nach Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie die Verwendung dieses Dokuments die Vermutung begründet, dass der Kreditgeber nicht nur den in dieser Richtlinie festgelegten Informationspflichten, sondern auch den in der Richtlinie 2002/65 enthaltenen Pflichten nachgekommen ist, nach deren Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a diese Informationen vor Abschluss des Fernabsatzvertrags mitzuteilen sind. Daraus folgere ich, dass diese Information in diesem Dokument nur dann gegeben werden muss, wenn der betreffende Vertrag auch in den Anwendungsbereich der zweitgenannten Richtlinie fällt.
38 Vgl. in diesem Sinne 47. Erwägungsgrund der Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten) (ABl. 2013, L 165, S. 63). Ich bin nicht vollends davon überzeugt, dass, wie eine oberflächliche Betrachtung von Rn. 34 des Urteils vom 25. Juni 2020, Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände (C‑380/19, EU:C:2020:498), nahelegen könnte, die Verfügbarkeit eines oder mehrerer außergerichtlicher Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren für einen Verbraucher für dessen Entscheidung über die Unterzeichnung des Vertrags von grundlegender Bedeutung ist. Zugestandenermaßen könnte dann, wenn die Mitgliedstaaten zwingende, kostenintensive vorgerichtliche Verfahren vorschreiben könnten, ein Verbraucher durch die Information über die Verfügbarkeit eines solchen Verfahrens vom Abschluss des Vertrags abgehalten werden. Der Gerichtshof hatte jedoch bereits Gelegenheit, klarzustellen, dass die Mitgliedstaaten, um dem Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes nachzukommen, vorsehen müssen, dass verpflichtende Verfahren zur alternativen Streitbeilegung, keine oder nur sehr geringe Kosten mit sich bringen dürfen. Vgl. Urteil vom 14. Juni 2017, Menini und Rampanelli (C‑75/16, EU:C:2017:457, Rn. 61).
39 Hingewiesen sei indes darauf, dass der Gerichtshof für Verfahren nach der Richtlinie 2013/11 entschieden hat, dass Verbraucher nicht verpflichtet werden dürfen, sich durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Vgl. Urteil vom 14. Juni 2017, Menini und Rampanelli (C‑75/16, EU:C:2017:457, Rn. 64). Diese Richtlinie erfasst allerdings zum einen nicht alle außergerichtlichen Verfahren nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48. Zum anderen könnten bestimmte Verfahren eine nicht anwaltliche Vertretung, etwa durch eine Verbraucherschutzorganisation, voraussetzen.
40 Siehe Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 2013/11.
41 Vgl. entsprechend Gutachten 1/03 (Neues Übereinkommen von Lugano) vom 7. Februar 2006 (EU:C:2006:81, Rn. 127).
42 Dies mag dadurch begründet sein, dass die Richtlinie 2013/11 für jede Art von Rechtsgeschäft gilt.
43 Dies mag erklären, warum der Gesetzgeber, obwohl die Richtlinie 2013/11 zeitlich nach der Richtlinie 2008/48 ergangen ist, eine Änderung der Richtlinie 2008/48 nicht für erforderlich hielt. Andererseits ist festzustellen, dass die jeweiligen Informationspflichten unterschiedlichen Umfang haben. Die Informationspflicht nach der Richtlinie 2013/11 bezieht sich nämlich, wie in deren Art. 2 Abs. 1 vorgesehen, nur auf außergerichtliche Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren, an denen eine nachhaltige Streitbeilegungsstelle beteiligt ist. Zudem betrifft die Richtlinie 2008/48 nur den Vertrieb von Verbraucherkreditdienstleistungen, während die Richtlinie 2013/11 alle kommerziellen Rechtsgeschäfte betrifft.
44 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 304, S. 64).
45 So regelt z. B. Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG (ABl. 1990, L 330, S. 50), um den es in den Urteilen vom 19. Dezember 2013, Endress (C‑209/12, EU:C:2013:864), und vom 19. Dezember 2019, Rust-Hackner und Gmoser (C‑355/18 und C‑356/18, EU:C:2019:1123), ging, ein Rücktrittsrecht. Das Gleiche gilt für Art. 5 der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (ABl. 1985, L 372, S. 31), um den es im Urteil vom 10. April 2008, Hamilton (C‑412/06, EU:C:2008:215), ging. Diese Richtlinie wurde durch die Richtlinie 2011/83 aufgehoben und ersetzt, die eine andere Lösung verfolgt, da sie jetzt ein Widerrufsrecht, jedoch ausdrücklich auch eine Frist vorsieht.
46 Vgl. auch den 24. Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/65 und Urteil vom 11. September 2019, Romano (C‑143/18, EU:C:2019:701, Rn. 36).
47 Vgl. in diesem Sinne die Urteile vom 17. Dezember 1970, Internationale Handelsgesellschaft (11/70, EU:C:1970:114, Rn. 3), vom 13. Dezember 1979, Hauer (44/79, EU:C:1979:290, Rn. 14), vom 18. Oktober 2016, Nikiforidis (C‑135/15, EU:C:2016:774, Rn. 28), und vom 16. Juli 2020, Facebook Ireland und Schrems (C‑311/18, EU:C:2020:559, Rn. 100).
48 Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Februar 2018, Altun u. a. (C‑359/16, EU:C:2018:63, Rn. 48 und 49), und vom 26. Februar 2019, T Danmark und Y Denmark (C‑116/16 und C‑117/16, EU:C:2019:135, Rn. 76).
49 Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Februar 2006, Halifax u. a. (C‑255/02, EU:C:2006:121, Rn. 77).
50 Vgl. entsprechend Urteile vom 14. Dezember 2000, Emsland-Stärke (C‑110/99, EU:C:2000:695, Rn. 54), und vom 13. März 2014, SICES u. a. (C‑155/13, EU:C:2014:145, Rn. 34).
51 Vgl. z. B. Urteil vom 28. Juli 2016, Kratzer (C‑423/15, EU:C:2016:604, Rn. 38).
52 Vgl. z. B. Urteil vom 13. März 2014, SICES u. a. (C‑155/13, EU:C:2014:145, Rn. 32).
53 Vgl. Urteil vom 14. Dezember 2000, Emsland-Stärke (C‑110/99, EU:C:2000:695, Rn. 52 und 53).
54 Vgl. entsprechend, aber zu einem Rücktrittsrecht, Urteil vom 19. Dezember 2019, Rust-Hackner und Gmoser (C‑355/18 und C‑356/18, EU:C:2019:1123, Rn. 101).
55 Meines Erachtens könnte der Grundsatz des Verbots des Rechtsmissbrauchs jedoch möglicherweise zur Anwendung kommen, wenn festgestellt würde, dass der Verbraucher wiederholt Kredite aufgenommen und dann innerhalb der 14-Tage-Frist widerrufen hat, bevor er einen neuen Kredit aufnahm, usw.
56 Die Verwendung des Begriffs „Inanspruchnahme“ erklärt sich daraus, dass zwischen dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Kreditvertrags und dem Zeitpunkt des Kaufabschlusses und somit der Zurverfügungstellung des Geldes eine zeitliche Lücke entstehen kann, bis der Kredit somit in Anspruch genommen und sodann von der Bank ausgezahlt wird.
57 Vgl. Urteil vom 9. November 2016, Home Credit Slovakia (C‑42/15, EU:C:2016:842, Rn. 63).
58 Vgl. Urteil vom 9. November 2016, Home Credit Slovakia (C‑42/15, EU:C:2016:842, Rn. 72).
59 Vgl. Urteil vom 27. März 2014, LCL Le Crédit Lyonnais (C‑565/12, EU:C:2014:190, Rn. 45 ff.).
60 Vgl. Urteil vom 9. November 2016, Home Credit Slovakia (C‑42/15, EU:C:2016:842, Rn. 70).
61 Was Art. 14 Abs. 4 der Richtlinie angeht, betrifft dieser Nebenleistungen eines Kreditvertrags und nicht kreditfinanzierte Waren oder Dienstleistungen. Hingewiesen sei auch darauf, dass die Richtlinie 2011/83, die Bestimmungen über die Wirkungen der Ausübung des Widerrufsrechts auf akzessorische Verträge enthält, nur für im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge gilt, was bei den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträgen ersichtlich nicht der Fall ist.
62 Ein Anspruch des Verkäufers auf eine solche Herausgabe war in der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. 1997, L 144, S. 19), die vor der Richtlinie 2011/83 für Vertragsabschlüsse im Fernabsatz galt, nicht vorgesehen. Die Richtlinie 2011/83 wurde, wie in ihrem 47. Erwägungsgrund ausgeführt, erlassen, weil „[m]anche Verbraucher … ihr Widerrufsrecht aus[üben], nachdem sie die Waren in einem größeren Maß genutzt haben, als zur Feststellung ihrer Beschaffenheit, ihrer Eigenschaften und ihrer Funktionsweise nötig gewesen wäre. In diesem Fall sollte der Verbraucher das Widerrufsrecht nicht verlieren, sollte aber für einen etwaigen Wertverlust der Waren haften. Wenn er Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren feststellen will, sollte der Verbraucher mit ihnen nur so umgehen und sie nur so in Augenschein nehmen, wie er das in einem Geschäft tun dürfte. So sollte der Verbraucher beispielsweise ein Kleidungsstück nur anprobieren, nicht jedoch tragen dürfen. Der Verbraucher sollte die Waren daher während der Widerrufsfrist mit der gebührenden Sorgfalt behandeln und in Augenschein nehmen. Die Verpflichtungen des Verbrauchers im Falle des Widerrufs sollten den Verbraucher nicht davon abhalten, sein Widerrufsrecht auszuüben.“
63 Vgl. in diesem Sinne z. B. Urteil vom 16. Dezember 2008, Masdar (UK)/Kommission (C‑47/07 P, EU:C:2008:726, Rn. 47).
64 Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 2020, Tschechische Republik/Kommission (C‑575/18 P, EU:C:2020:530, Rn. 82).
65 Auch wenn der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass die unternehmerische Freiheit einer Vielzahl von Eingriffen der öffentlichen Gewalt unterworfen werden kann, die im allgemeinen Interesse die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit beschränken können (vgl. z. B. Urteil vom 30. Juni 2016, Lidl, C‑134/15, EU:C:2016:498, Rn. 34), sollte eine Person grundsätzlich nur dann für das Handeln einer anderen Person haftbar gemacht werden können, wenn sie für die Kontrolle oder Organisation der Tätigkeiten dieser Person verantwortlich war.
66 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Verbraucher in Bezug auf die in Art. 10 der Richtlinie 2008/48 genannten Informationen, die für die Zustimmung maßgebend sind, stets die Möglichkeit behält, die Aufhebung des Kreditvertrags auf der Grundlage des nationalen Rechts zu verlangen, wie in Art. 10 Abs. 1 und dem 30. Erwägungsgrund dieser Richtlinie betont wird.
Mit nunmehr veröffentlichtem Urteil vom 13.01.2021 hat das Oberlandesgericht Celle (Aktenzeichen: 3 U 47/20) einem Verbraucher stattgegeben, der den Kauf seines Pkw bei der VW Bank finanziert hat. Der Kläger darf nunmehr den VW zurückgeben. Die VW-Bank wurde verurteilt, an ihn 21.528,04 zzgl. Zinsen zu bezahlen.
Mit nunmehr veröffentlichtem Urteil vom 13.01.2021 hat das Oberlandesgericht Celle (Aktenzeichen: 3 U 47/20) einem Verbraucher stattgegeben, der den Kauf seines Pkw bei der VW Bank finanziert hat. Der Kläger darf nunmehr den VW zurückgeben. Die VW-Bank wurde verurteilt, an ihn 21.528,04 zzgl. Zinsen zu bezahlen.