OLG Nürnberg: Keine Verwirkung bei fehlender Nachbelehrung

Oberlandesgericht Nürnberg entscheidet zugunsten der Verbraucher
Oberlandesgericht Nürnberg entscheidet zugunsten der Verbraucher

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat mit Beschluss vom 13.03.2019 (Az.: 14 U 2339/17) in zwei besonders wichtigen Rechtsfragen klar Position zugunsten der Verbraucher ergriffen: Zunächst es hat klargestellt, dass es der beklagten Sparkasse Nürnberg während einer laufenden Vertragsbeziehung - trotz drei erfolgter Prolongationen - zuzumuten war, ihre Kunden über ihr Widerrufsrecht nachzubelehren. Darüber hinaus hat das OLG Nürnberg die Feststellungsanträge der Kanzlei Stenz & Rogoz für zulässig angesehen.

Dem Beschluss des OLG Nürnberg lag folgender Sachverhalt zugrunde:

 

Die Kläger schlossen im Jahr 2005 mit der Beklagten einen grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherdarlehensvertrag über einen Nettodarlehensbetrag von XX.000,- Euro.  Der Darlehensvertrag enthielt die sog. "frühestens"-Belehrung ("Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ohne Angaben von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung.")

 

Eine Besonderheit war, dass der Vertrag im November 2006, im Oktober 2008 und im Mai 2011 jeweils schriftlich prolongiert worden war. Hierbei wurden die Kläger über ihr Widerrufsrecht nicht informiert.

 

Der Widerruf des Darlehens erfolgte im Juni 2016.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hatte der Klage teilweise mit Urteil vom 29.11.2017 stattgeben.

 

Unter anderem wurde dort festgestellt, dass der Beklagten gegen die Kläger aus dem Darlehensvertrag bzw. dem Rückabwicklungsschuldverhältnis keine über einen Betrag von XX.XXX,- € hinausgehende Forderung zustand.

 

Gegen das Urteil gingen sowohl die Kläger als auch die Sparkasse Nürnberg in Berufung.

 

Das Oberlandesgericht Nürnberg-Fürth sieht den Widerruf trotz der zahlreichen Prolongationen nicht als verwirkt an: Während einer laufenden Vertragsbeziehung war es der Sparkasse zuzumuten, ihre Kunden über ihr Widerrufsrecht nachzubelehren.  Im Hinblick auf die Möglichkeit einer Nachbelehrung kommt damit auch den Prolongationsvereinbarungen in den Jahren 2006, 2008 und 2011 kein solches Gewicht zu, dass die Annahme eines die Verwirkung begründenden Umstandsmoments gerechtfertigt erscheint. Die Nachbelehrung war der Beklagten auch nach Abschluss der Anschlusszinsvereinbarungen möglich und zumutbar. Die erneuten Zinsvereinbarungen waren sogar ein besonderer Anlass für die Beklagte, sich mit den Grundlagen der Vertragsbeziehung zwischen den Parteien zu befassen, die durch die Nachtragsvereinbarungen abgeändert wurden. In einem solchen Zusammenhang liegt die Möglichkeit einer Nachbelehrung sogar noch näher.

 

Auch unter Berücksichtigung des Zeitablaufs ergibt sich kein ausreichendes Umstandsmoment. Zwar beruft sich die Beklagte zutreffend darauf, dass zwischen Zeit- und Umstandmoment eine Wechselwirkung dahin besteht, dass mit zunehmendem Zeitablauf die Anforderungen an das Vorliegen von Umständen, die die Ausübung des Widerrufsrechts als treuwidrig erscheinen lassen, abnehmen. Nach Überzeugung des Senats reicht aber - wieder im Hinblick auf die Möglichkeit der Nachbelehrung - auch der verstrichene Zeitraum von über zehn Jahren und die mehrfachen Zinsvereinbarungen nicht aus, um ein schützenswertes Vertrauen der Beklagten zu begründen. 

Aber noch aus einem weiteren Grund ist der Beschluss des OLG Nürnberg beachtlich:

 

Das OLG hat als erstes Gericht eine Feststellungsklage als zulässig angenommen und dies wie folgt begründet:

 

"Die entsprechende Feststellungsklage ist zulässig. Die Beklagte wendet sich zwar in der Hauptsache gegen die Wirksamkeit des Widerrufs. Sie macht aber zugleich geltend, dass der Rückabwicklungssaldo im Falle eines wirksamen Widerrufs fehlerhaft berechnet sei. Die Kläger haben so ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, in welcher Höhe die Rückgewähransprüche aus §§ 346 ff. BGB nach Widerruf des Darlehens bestehen. Würde man das Feststellungsinteresse verneinen, wäre abzusehen, dass es zu einem erneuten Rechtsstreit der Parteien über die Richtigkeit des Widerrufssaldos kommen würde.“

 

Hintergrund war, dass die beklagte Sparkasse von der Kanzlei Stenz & Rogoz außergerichtlich angeschrieben und aufgefordert worden war, sich zu erklären, ob sie eine im Schreiben näher erläuterte Rückabwicklungsberechnung – gesetzt dem Fall, dass gerichtlich rechtskräftig die Wirksamkeit des Widerrufs des streitgegenständlichen Vertragsverhältnisses bestätigt wird – akzeptiere. Dem Verlangen ist die Sparkasse jedoch nicht nachgekommen.