OLG Frankfurt: Zwei unterschiedliche Widerrufristen sind unzulässig

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat in einer nunmehr veröffentlichten Entscheidung vom 22.08.2018 (Aktenzeichen: 3 U 145/17) eine häufig verwendete Widerrufsinformation der Sparda-Bank als unwirksam angesehen, in der diese ihre Kunden mit zwei unterschiedlichen Widerrufsfristen verwirrt hat.

Zunächst hat das OLG Franfurt allgemein klargestellt, welchen Anforderungen eine WIderrufsinformation genügen muss:

 

Die Widerrufsbelehrung war nämlich fehlerhaft. Nach § 360 Abs. 1 Satz 1 BGB muss die Widerrufsbelehrung nämlich deutlich gestaltet sein und dem Verbraucher entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels seine wesentlichen Rechte deutlich machen, nämlich nach § 360 Abs. 1 Satz 2 BGB, insbesondere durch einen Hinweis auf die Dauer und den Beginn der Widerrufsfrist. Ziel dieser Vorschrift ist es, den regelmäßig rechtsunkundigen Verbraucher über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren, damit der Verbraucher über die sich daraus ergebende Berechnung ihres Ablaufs nicht im Unklaren ist. Der mit der Einräumung des befristeten Widerrufsrechts beabsichtigte Schutz des Verbrauchers erfordert eine möglichst umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis des Verbrauchers eindeutige Belehrung (vgl. BGHZ 172, 58, Tz 13; WM 2009, 932, Tz 14; Urteil vom 09.12.2009, VIII ZR 219/08 - juris Tz 12). Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Er ist deshalb sowohl über den Beginn als auch die Dauer der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren. Um die vom Gesetz bezweckte Verdeutlichung des Rechts zum Widerruf nicht zu beeinträchtigen, darf die Widerrufsbelehrung grundsätzlich keine anderen Erklärungen enthalten (BGH, Urteil vom 13.01.2009, XI ZR 509/07 - juris Tz. 12). Zulässig sind zu diesem Zweck allerdings Ergänzungen, die ihren Inhalt verdeutlichen (BGH WM 2002, 1989 [BGH 04.07.2002 - I ZR 55/00]). Für die Beurteilung der Unmissverständlichkeit ist auf die Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Verbrauchers abzustellen (BGH, Urteil vom 10.03.2009 a.a.O. Tz. 16; Urteil vom 09.12.2009 a.a.O. Tz. 14).

 

Diesen Anforderungen genügte nach Ansicht der OLG Frankfurt die von der Sparda Bank verwendete Belehrung nicht:

 

Sie belehrt die Kläger entgegen § 360 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BGB a. F. über die Dauer der Widerrufsfrist nicht richtig. Dementsprechend ist sie auch nicht unmissverständlich. Denn die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung enthält zwei unterschiedliche Widerrufsfristen. Einerseits heißt es einleitend noch zutreffend, dass der Darlehensnehmer seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform widerrufen kann. In der vorletzten Zeile des zweiten Absatzes ist jedoch eine Widerrufsfrist von einem Monat genannt. Dies widerspricht dem Deutlichkeitsgebot und kann bei einem durchschnittlich verständlichen Verbraucher zu einer Verwirrung führen. Denn es ergibt sich aus der verwendeten Widerrufsbelehrung nicht eindeutig, dass sich die Monatsfrist nur auf eine nachträgliche Information über fehlende Pflichtangaben bezieht. Anders als die Musterbelehrung nach der Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB fehlt dort vor dem Wort "einen" das Wort "dann", was verdeutlichen würde, dass die Monatsfrist nur in diesem Fall gilt. Da die Beklagte diesen Zusatz weggelassen hat, ist einem durchschnittlichen Verbraucher bei unbefangenem Lesen der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung nicht klar, dass die Monatsfrist nur in dem Fall der nachträglichen Information über Pflichtangaben gilt. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Nennung der zweiten Frist im räumlichen Zusammenhang mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Nachholung der Pflichtangaben steht. Daraus und der Trennung des Halbsatzes durch ein Semikolon folgt aber nicht hinreichend deutlich, dass sich die zweite Frist nur auf die Nachholung der Pflichtangaben bezieht. Für den Senat verbleiben aus der Sicht des durchschnittlichen Verbrauchers die aufgezeigten Unklarheiten. Solche Unklarheiten gehen aber zu Lasten der Beklagten.

 

Auf die Gesetzlichkeitsvermutung nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB a. F. kann sich die Beklagte nicht berufen. Denn, wie zuvor ausgeführt, hat sie eine der Anlage 6 zu Art. 247 § 6 EGBGB entsprechende Widerrufsinformation nicht erteilt. Anstelle des Musters fehlt das Wort "dann" vor den Worten "einen Monat". Dies ist aus den vorgenannten Gründen keine marginale, sondern eine sinnentfremdende Abweichung von dem Muster, so dass es dahinstehen kann, ob über Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 4 EGBGB hinaus von dem Text des Musters nicht nur in Format und Schriftgröße abgewichen werden darf.

 

Folge des Widerrufs ist, dass die Kläger nicht mehr in ihrer auf den Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen gebunden sind (§ 355 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F.) und die Verbraucherdarlehensverträge nach §§ 346 ff., 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F. rückabzuwickeln sind. Dies bedeutet zugleich, dass die für die Zeit nach Erklärung des Widerrufs erfolgten Zahlungen kein Rechtsgrund mehr bestand. Der Anspruch der Kläger ist jedoch durch die seitens der Beklagten hilfsweise erklärten Aufrechnung mit ihrem Anspruch auf Rückzahlung der Darlehensvaluta zuzüglich ihres Nutzungsersatzanspruchs in Höhe des vereinbarten Zinssatzes offensichtlich erloschen. Wie sich aus dem Hilfsantrag zu a) ergibt, stellen die Kläger die Verpflichtung zur Rückzahlung von Darlehensvaluta in Höhe von 185.000,00 EUR unstreitig. Zusammen mit dem Anspruch auf Rückzahlung der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen von 88.000,00 EUR übersteigt dieser Betrag offensichtlich auch den weitergehenden Betrag von 17.000,00 EUR. Da nach § 389 BGB die gegenseitigen Ansprüche in dem Zeitpunkt erloschen sind, in dem sie jeweils erstmals fällig waren, können die Kläger denklogisch keinen Anspruch auf Zahlung von Zinsen aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB haben. Denn ihr jeweiliger Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB erlosch nach § 389 BGB bereits mit der jeweiligen Zahlung.