Die Sparda Bank hat in den Jahren 2010 bis 2014 sehr unterschiedliche Widerrufsinformationen verwendet. Unsere Kanzlei hat festgestellt, dass in zahlreichen Fällen erhebliche Abweichungen vom jeweiligen gesetzlichen Muster festzustellen sind. Eine beispielhafte Aufzählung, sortiert nach Jahren, finden Sie im Folgenden:
In vielen Darlehensverträgen hat die Sparda-Bank aus den Jahren 2013 und 2014 waren in den Widerrufsinformationen folgender Passus abgedruckt:
„Besonderheiten bei weiteren Verträgen:
Steht dem Darlehensnehmer in Bezug auf diesen Darlehensvertrag ein Widerrufsrecht zu, so ist er mit wirksamen Widerruf des Darlehensvertrages auch an den _________ (im Folgenden zusammenhängenden Vertrag) nicht mehr gebunden.
Später unter dem Punkt „Widerrufsfolgen“ war dann folgendes nachzulesen:
- Ist der Darlehensnehmer aufgrund des Widerrufs dieses Darlehensvertrags an den verbundenen Vertrag und/oder den zusammenhängenden Vertrag nicht mehr gebunden, sind insoweit die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren.
- Wenn der Darlehensnehmer infolge des Widerrufs des Darlehensvertrags nicht mehr an den weiteren Vertrag gebunden ist oder infolge des Widerrufs des weiteren Vertrags nicht mehr an den Darlehensvertrag gebunden ist, gilt ergänzend Folgendes: Ist das Darlehen bei Wirksamwerden des Widerrufs dem Vertragspartner des Darlehensnehmers aus dem verbundenen Vertrag bereits zugeflossen, tritt der Darlehensgeber im Verhältnis zum Darlehensnehmer hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Vertragspartners aus dem weiteren Vertrag ein.
Stellungnahme der Kanzlei Stenz & Rogoz
(Stand: 22.11.2019)
Die oben zitierten Passagen trafen nicht zu, da weder ein verbundener noch ein zusammenhängender Vertrag abgeschlossen wurden. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 24.01.2017 (Az.: XI ZR 6/16, dort Rn. 52) ausgeführt:
„Sein erst ab dem 30. Juli 2010 wirksamer gesetzgeberischer Wille, bei der Gestaltung des Musters für eine Widerrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge gemäß Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB eine Information über verbundene Verträge nur bei deren Vorliegen zuzulassen (BT-Drucks. 17/1394, S. 30, linke Spalte oben; dazu auch MünchKommBGB/Habersack, 7. Aufl., § 358 Rn. 71) […]“
In der entsprechenden Gesetzesbegründung ist nachzulesen:
„Dabei müssen die Gestaltungshinweise stets an den jeweiligen Einzelfall angepasst werden. Ist neben dem Verbraucherdarlehensvertrag beispielsweise nur ein verbundener Vertrag abgeschlossen worden, hat der Darlehensgeber den von Gestaltungshinweis vorgegebenen Mustertext nur für diesen Fall aufzuführen.“
In vielen Darlehensverträge der Sparda-Bank ist unter Ziffer 3.1 ein „Verfahren“ angegeben, wie der Sollzinssatz nach Ablauf der Sollzinsbindung erhöht bzw. gesenkt werden solle. Unter anderem wurde dort folgendes ausgeführt:
„Die Berechtigung und Verpflichtung der Bank zur Sollzinssatzänderung orientiert sich an einer Veränderung des Referenzzinssatzes. Als Referenzzinssatz ist der am 30.12.2012 ermittelte Durchschnittssatz des EURIBOR-Dreimonatsgeldes, der jeweils für den vorausgehenden Monat in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank veröffentlicht ist.
Die Entwicklung des Referenzzinssatzes wird die Bank regelmäßig erstmals im März 2012 und dann alle drei Monate jeweils zum 30. überprüfen. Hat sich zu diesem Zeitpunkt der Referenzzinssatz um mindestens 0,25 Prozentpunkte gegenüber seinem maßgeblichen Wert bei Vertragsabschluss bzw. der letzten Sollzinsänderung bzw. bei Ablauf der Sollzinsfestschreibung verändert, wird die Bank den Vertragszins nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der Kosten ihrer Refinanzierungsmittel anpassen. Dabei wird die Bank die Sollzinsgestaltung berücksichtigen, die bei Vertragsabschluss bestanden hat (Zinsanpassungsklausel). Die Sollzinsänderung wird mit Erklärung gegenüber dem Darlehensnehmer wirksam. Die Erklärung erfolgt binnen eines Monats nach Überprüfung. Diese Erklärung kann auf dem Kontoauszug für das Konto erfolgen, über das das Darlehen in Anspruch genommen wird bzw. die laufenden Teilbeträge abgebucht werden.“
Dieses Verfahren zur Anpassung des Sollzinses entspricht inhaltlich vollständig der auch in Ziffer 5 der „Allgemeine Bedingungen für Kredite und Darlehen“ geregelten Sollzinssatzanpassung.
Demgegenüber findest sich an anderer Stelle des Darlehensvertrages unter Ziffer 14 („Weitere Darlehensbedingungen“) die folgende Klausel:
„Abweichend von der in Ziffer 5 der ‚Allgemeine Bedingungen für Kredite und Darlehen‘ geregelten Sollzinssatzanpassung nach Sollzinssatzbindung erfolgt, sofern keine andere Sollzinssatzvereinbarung getroffen wurde, die Verzinsung zu veränderlichen Konditionen zu dem dann gültigen Sollzinssatz für veränderliche Sollzinsen.“
Stellungnahme der Kanzlei Stenz & Rogoz:
(Stand: 22.11.2019)
Damit bleibt für den Verbraucher unklar, wie der Sollzins nach dem Ende der Zinsbindungsfrist angepasst werden soll. Ziffer 14 des Darlehensvertrages verwies zwar auf Ziffer 5 der „Allgemeine Bedingungen für Kredite und Darlehen“. Ziffer. 3.1 des Darlehensvertrages blieb dabei hingegen unerwähnt.
Die Folgen eines Verstoßes gegen diese Pflicht sind den Vorschriften des BGB und nicht dem Art. 247 EGBGB zu entnehmen (Palandt-Weidenkaff, EGBGB, 72. Aufl. 2013, Art. 247, Rn. 1 a.E.). Dabei normierte § 495 Abs. 2 BGB a.F. folgendes:
„(2) 1Die §§ 355 bis 359a gelten mit der Maßgabe, dass
1. an die Stelle der Widerrufsbelehrung die Pflichtangaben nach Artikel 247 § 6 Absatz 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche treten,
2. die Widerrufsfrist auch nicht beginnt
a) vor Vertragsschluss und
b) bevor der Darlehensnehmer die Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 erhält, und
3. der Darlehensnehmer abweichend von § 346 Absatz 1 dem Darlehensgeber auch die Aufwendungen zu ersetzen hat, die der Darlehensgeber an öffentliche Stellen erbracht hat und nicht zurückverlangen kann; § 346 Absatz 2 Satz 2 zweiter Halbsatz ist nur anzuwenden, wenn das Darlehen durch ein Grundpfandrecht gesichert ist.
2§ 355 Absatz 2 Satz 3 und Absatz 4 ist nicht anzuwenden.“
Mit anderen Worten: Das Fehlen der Angabe zur Sollzinsanpassung führt dazu, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann (BGH vom 04.07.2017, Az.: XI ZR 741/16, Rn. 28; Grüneberg, BKR 2019, 1, 5).
Die Sparda-Bank hat ihren Kunden in vielen Verträgen aus den Jahren 2011 und 2012 folgende Widerrufsinformation erteilt:
Widerrufsinformation für Darlehensnehmer Nummer xxx
Widerrufsrecht
Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen.
Der Darlehensnehmer hat alle Pflichtangaben erhalten, wenn sie in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung seines Antrags oder in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung der Vertragsurkunde oder in einer für den Darlehensnehmer bestimmten Abschrift seines Antrags oder der Vertragsurkunde enthalten sind und dem Darlehensnehmer eine solche Unterlage zur Verfügung gestellt worden ist. Über in den Vertragstext nicht aufgenommene Pflichtangaben kann der Darlehensnehmer nachträglich in Textform informiert werden; die Widerrufsfrist beträgt dann einen Monat. Der Darlehensnehmer ist mit den nachgeholten Pflichtangaben nochmals auf den Beginn der Widerrufsfrist hinzuweisen.
Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an:
Sparda-Bank XXX eG
[…]
Widerrufsfolgen
Der Darlehensnehmer hat innerhalb von 30 Tagen das Darlehen, soweit es bereits ausbezahlt wurde, zurückzuzahlen und für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten. Die Frist beginnt mit der Absendung der Widerrufserklärung. Für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung ist bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens pro Tag ein Zinsbetrag in Höhe von […] EUR zu zahlen.
Der Betrag verringert sich entsprechend, wenn das Darlehen nur teilweise in Anspruch genommen wurde. Wenn der Darlehensnehmer nachweist, dass der Wert seines Gebrauchsvorteils niedriger war als der Vertragszins, muss er nur den niedrigeren Betrag zahlen. Dies kann z.B. in Betracht kommen, wenn der marktübliche Zins geringer war als der Vertragszins.
[...]
Die Sparda-Bank hat ihre Kunden also nicht darüber belehrt, wann die Widerrufsfrist überhaupt zu laufen beginnt. Dies hätte durch Aufnahme des nachstehenden Satzes erfolgen müssen:
Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angabe zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.
Stellungnahme der Kanzlei Stenz & Rogoz
(Stand: 22.11.2019)
Gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 EGBGB muss der grundpfandrechtlich gesicherte Verbraucherdarlehensvertrag klar und verständlich die nachstehenden Angaben des § 3 enthalten:
§ 3 Inhalt der vorvertraglichen Information bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen
(1) Die Unterrichtung vor Vertragsschluss muss folgende Informationen enthalten:
1. den Namen und die Anschrift des Darlehensgebers,
2. die Art des Darlehens,
3. den effektiven Jahreszins,
4. den Nettodarlehensbetrag,
5. den Sollzinssatz,
6. die Vertragslaufzeit,
7. Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen,
[...]
10. alle sonstigen Kosten, insbesondere in Zusammenhang mit der Auszahlung oder der Verwendung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments, mit dem sowohl Zahlungsvorgänge als auch Abhebungen getätigt werden können, sowie die Bedingungen, unter denen die Kosten angepasst werden können,
[...]
13. das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts,
[...]
(4) Die Angabe zum Sollzinssatz muss die Bedingungen und den Zeitraum für seine Anwendung sowie die Art und Weise seiner Anpassung enthalten. Ist der Sollzinssatz von einem Index oder Referenzzinssatz abhängig, sind diese anzugeben. Sieht der Verbraucherdarlehensvertrag mehrere Sollzinssätze vor, sind die Angaben für alle Sollzinssätze zu erteilen. Sind im Fall des Satzes 3 Teilzahlungen vorgesehen, ist anzugeben, in welcher Reihenfolge die ausstehenden Forderungen des Darlehensgebers, für die unterschiedliche Sollzinssätze gelten, durch die Teilzahlungen getilgt werden.
Diesen gesetzlichen Vorgaben hat die Widerrufsinformation der Sparda-Bank damit nicht entsprochen!
In anderen Verträgen der Sparda-Bank, in denen Verbraucher gleichzeitig die Lebensversicherung "SpardaBaufiProtect" abschlossen hat, wurde der Nettodarlehensbetrag nicht richtig angegeben. Dort hieß es
3.2 Kosten, Nebenleistungen, Nettodarlehensbetrag:
Darlehensnummer: 00xxxxxxxxxx
Höhe des Darlehens: EUR 190.000,00
./. Prämie SpardaBaufiProtect: EUR 10.000
= Nettodarlehensbetrag: EUR 80.000
Stellungnahme der Kanzlei Stenz & Rogoz:
Die Sparda-Bank hat damit den Nettodarlehensbetrag falsch angegeben. Denn dieser ist in Art. 247 § 3 Abs. 2 S. 2 EGBGB in der Fassung vom 11.06.2010 wie folgt legaldefiniert worden:
„Nettodarlehensbetrag ist der Höchstbetrag, auf den der Darlehensnehmer aufgrund des Darlehensvertrags Anspruch hat.“
Hierzu ist bei Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2017, § 81, Rn. 97 nachzulesen:
„Werden zB Kosten mitfinanziert, die vereinbarungsgemäß an einen Dritten ausbezahlt werden (Vermittlungskosten, Versicherungsprämie), so wurden diese nach früherem Recht bei der Ermittlung des Nettodarlehensbetrages vom Darlehensnennbetrag abgezogen, da diese Beträge nicht zur Auszahlung an den Darlehensnehmer gelangten. Letztgenannter Umstand ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass der Darlehensnehmer auf diese Beträge einen vertraglichen Anspruch hat, so dass sie nach der neuen Legaldefinition zu berücksichtigen, dh vom Darlehensnennbetrag nicht abzuziehen sind. Es ist nämlich unerheblich ist, ob die Auszahlung des Darlehens direkt an den Verbraucher oder gemäß seiner Weisung an einen Dritten erfolgen soll.“
Häufig wurden von Sparda-Banken folgende Belehrungen verwendet:
Widerrufsrecht
Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen2 ohne Angaben von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist […]“.
Unten im Formular werden zwei Fußnoten abgedruckt:
2 Bitte Frist im Einzelfall prüfen.“
Stellungnahme der Kanzlei Stenz & Rogoz:
Mittlerweile hat der BGH diese Belehrung für unwirksam erklärt, vergleiche hierzu unseren Blog-Beitrag vom 12.07.2016.
Einige Sparda-Banken in Deutschland haben im Jahr 2008 auch die folgende Belehrung verwendet:
"Sie können ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen (einem Monat) ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag nachdem Ihnen- ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung,- die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags zur Verfügung gestellt wurden, aber nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs."
In einer aktuellen Entscheidung vom 29.12.2016 hat das LG Düsseldorf (Az.: 10 O 432/14) diese Belehrung für unwirksam erklärt. Dies wurde u.a. wie folgt begründet:
"Der von der Beklagten verwendeten Belehrung begegnen insoweit Bedenken, als die Formulierung Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag nachdem Ihnen ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung, die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift [...] zur Verfügung gestellt wurde das unrichtige Verständnis nahe legt, die Widerrufsfrist beginne bereits einen Tag nach Zugang des mit der Widerrufsbelehrung versehenen postalisch übersendeten Darlehensangebots der Beklagten zu laufen. So kann aufgrund dieser Formulierung aus der Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Kunden, auf den abzustellen ist (vgl. BGH Urteil vom 13.01.2009, Az. BGH Aktenzeichen XIZR11808 XI ZR 118/08, Urteil vom 18.04.2005, Az. BGH Aktenzeichen IIZR22404 II ZR 224/04), der Eindruck entstehen, die Voraussetzungen für den Fristbeginn seien bereits mit der Übermittlung des die Widerrufsbelehrung enthaltenden Vertragsantrags der Beklagten erfüllt und die Widerrufsfrist beginne ohne Rücksicht auf eine Vertragserklärung des Verbrauchers bereits am Tag nach Zugang des Angebots der Beklagten zu laufen (vgl. dazu BGH Urteil vom 10.03.2009, Az. BGH Aktenzeichen XIZR3308 XI ZR 33/08, LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom LG Nürnberg-Fürth vom 10.11.2014, Az. 6 O .../...).
Diese Bedenken werden im Streitfall auch nicht durch den von der Beklagten verwendeten Zusatz [...] aber nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses - unabhängig von der Frage, ob diese der Sonderregelung des § 312d Abs. 2 BGB a. F. entnommene Formulierung irreführend ist - ausgeräumt."
Im Jahr 2009 hat die Spada-Bank häufig folgende Belehrung verwendet:
„Widerrufsbelehrung für Verbraucherdarlehensverträge
[...]
Widerrufsrecht
Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen (einem Monat)1 ohne Angaben von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-mail) widerrufen. Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag nachdem Ihnen
- ein Exemplar dieser Widerrufsbelehrung und
- die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags
zur Verfügung gestellt wurde. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
Der Widerruf ist zu richten an:
Name, Firma und ladungsfähige Anschrift des Kreditinstituts
Sparda-Bank Hannover eG
Ernst-August-Platz 8
30159 Hannover
Faxnummer E-mail-Adresse/Internet-Adresse
(0511) 3018-100 sparda@sparda-h.de
Widerrufsfolgen
Im Fall eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und gegebenenfalls gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangenen Leistungen ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit gegebenenfalls Wertersatz leisten. Dies kann dazu führen, dass Sie die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen für den Zeitraum bis zum Widerruf gleichwohl erfüllen müssen. Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen müssen Sie innerhalb von 30 Tagen nach Absendung Ihrer Willenserklärung erfüllen.
Finanzierte Geschäfte
Widerrufen Sie diesen Darlehensvertrag, mit dem Sie Ihre Verpflichtungen aus einem anderen Vertrag finanzieren, so sind Sie auch an den anderen Vertrag nicht gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrags sind, oder wenn wir uns bei Vorbereitung oder Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung Ihres Vertragspartners bedienen. Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrags sind oder wenn wir über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinaus Ihr Grundstückgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördern, indem wir uns dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu Eigen machen, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernehmen oder den Veräußerer einseitig begünstigen. Können Sie auch den anderen Vertrag widerrufen, so müssen Sie den Widerruf gegenüber Ihrem diesbezüglichen Vertragspartner erklären.
Wird mit diesem Darlehensvertrag die Überlassung einer Sache finanziert, gilt Folgendes: Wenn Sie diese Sache im Falle des Widerrufs ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand
zurückgeben können, haben Sie dafür gegebenenfalls Wertersatz zu leisten. Dies gilt nicht, wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung – wie es Ihnen etwa im
Ladengeschäft möglich gewesen wäre – zurückzuführen ist. Im Übrigen können Sie die Wertersatzpflicht vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie Ihr Eigentum in Gebrauch nehmen und alles
unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt. […]“
Am Ende der Widerrufsbelehrung war folgende – kaum lesbare – Fußnote abgedruckt:
1Die
Widerrufsfrist beträgt gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB einen Monat, wenn die Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss in Textform dem Kunden mitgeteilt wird bzw. werden kann.
Stellungnahme der Kanzlei Stenz & Rogoz:
Kunden, die die Verträge mit dieser Widerrufsbelehrung abgeschlossen haben, können auch heute noch den Widerruf erklären.
1.
Zunächst ist festzustellen, dass die von der Sparda-Bank verwendeten Widerrufsbelehrungen nicht dem amtlichen Muster gem. Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BGB-InfoV in der damals
gültigen Fassung entsprach.
2.
Es wurde auch nicht eindeutig über den Fristbeginn aufgeklärt:
Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben (vgl. nur BGH NJW-RR 2009, 709, Rz. 14). Bestandteil der Widerrufserklärung ist neben dem Bestehen des Widerrufsrechts als solches und dem Beginn der Frist eine aus Sicht des Verbrauchers eindeutige Belehrung über die Dauer der Widerrufsfrist (vgl. nur Kessal-Wulf in: Staudinger BGB, Neubearbeitung 2012, § 495, Rn. 28).
Der BGH hat bereits in seinen Entscheidungen vom 10.03.2009 (Az.: XI ZR 33/08) und vom 15.02.2011 (Az. XI ZR 148/10) zu einer nahezu identischen Widerrufsbelehrung[1] festgestellt, dass diese nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. entsprach. Zur Begründung führte der BGH in seinem Urteil vom 10.03.2009 u.a. aus:
„[14] Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine umfassende, unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Er ist deshalb gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB auch über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren […]
[16] [….] Entscheidend ist, dass die von der Beklagten verwendete Formulierung der Widerrufsbelehrung dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht entspricht, weil sie die unzutreffende Vorstellung hervorrufen kann, die Widerrufsfrist beginne unabhängig von einer Vertragserklärung des Verbrauchers bereits am Tag nach dem Zugang des Angebots der Beklagten nebst Widerrufsbelehrung.“
3.
Schließlich kommt hinzu, dass in der Widerrufsbelehrung über die Dauer der Widerrufsfrist nicht zweifelsfrei aufgeklärt wurde. Die Kunden wurden im Unklaren darüber gelassen, ob die Frist nun zwei Wochen oder einen Monat beträgt. Die Verwendung der Fußnote konnte hieran nichts ändern.
Zunächst wies die Fußnote ein viel zu kleines, weil kaum leserliches, Schriftbild auf.
Darüber hinaus konnte von einem unbefangenen und durchschnittlichen Verbraucher, auf welchen abzustellen ist (vgl. nur BGH NJW 2010, 989, Rz. 14), nicht erwartet werden, dass er das Bürgerliche Gesetzbuch zur Rate zieht, um sich Klarheit über die tatsächliche Dauer des Frist zu verschaffen. Dies hat neuerdings auch das LG Stuttgart so entschieden (vgl. Urteil vom 12.05.2015, Az.: 25 O 221/14).
Damit können Darlehensverträge mit der Sparda-Bank aus dem Jahr 2009 mit der dargestellten Belehrung auch heute noch widerrufen werden!
Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat mit Urteil vom 26.01.2023 (Aktenzeichen: 4 U 134/21) eine Vorfälligkeitsentschädigung der Sparda-Bank Südwest eG gekippt. Ihre Kunden können nun einen Betrag von 13.768,05 € zurückverlangen.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger verlangt die Rückzahlung eines im Zuge einer vorzeitigen Darlehensablösung geleisteten Betrags von 13.768,05 €.
Die Parteien schlossen am 16.02.2017 einen Immobiliardarlehensvertrag über eine Nettodarlehenssumme von 136.000,- € mit einem bis zum Ende der Vertragslaufzeit gebundenen Sollzinssatz von 1,64%. Das Ende der Vertragslaufzeit ist in Ziffer 4 des Vertrages mit dem 28.02.2030 angegeben.
Der Vertrag enthält unter anderem folgende weitere Regelungen:
„7. Vorzeitige Rückzahlung
Der Darlehensnehmer kann seine Verbindlichkeiten im Zeitraum der Sollzinsbindung nur ganz oder teilweise vorzeitig zurückführen, wenn ein berechtigtes Interesse des Darlehensnehmers besteht. Im Fall der vorzeitigen Rückzahlung fällt eine Vorfälligkeitsentschädigung nach Ziffer 8 an.
8. Angabe zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung (Ablöseentschädigung)
Im Fall der vorzeitigen Rückzahlung (vergleiche Ziffer 7 dieses Vertrages) oder im Fall der außerordentlichen Kündigung auf der Grundlage eines berechtigten Interesses (vergleiche Ziffer 8 Satz 2 der Allgemeinen Bedingungen für Kredite und Darlehen) hat der Darlehensnehmer der Bank denjenigen Schaden zu ersetzen, der dieser aus der vorzeitigen Rückzahlung entsteht. Der Berechnung dieses Schadens wird der Darlehensgeber die vom Bundesgerichtshof für zulässig befundene Aktiv-Passiv-Methode zugrunde legen, welche davon ausgeht, dass die durch die Rückzahlung frei gewordenen Mittel laufzeitkongruent in Kapitalmarkttiteln angelegt werden. Danach wird berücksichtigt
- Der Zinsverschlechterungsschaden als der finanzielle Nachteil aus der vorzeitigen Darlehensablösung, das heißt, die Differenz zwischen dem Vertragszins und der Rendite von Kapitalmarkttiteln öffentlicher Schuldner mit einer Laufzeit, die der Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens entspricht. Die Differenz zwischen dem Vertragszins des abzulösenden Darlehens und der Kapitalmarktrendite ist um angemessene Beträge sowohl für ersparte Verwaltungsaufwendungen als auch für das entfallende Risiko des abzulösenden Darlehens zu kürzen. Die auf der Grundlage der so ermittelten Nettozinsverschlechterungsrate für die Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens sich ergebenden Zinseinbußen werden dann auf den Zeitpunkt der Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung abgezinst. Dabei wird auch hier der aktuelle Wiederanlagezins, das heißt, die Renditelaufzeit kongruenter Kapitalmarkttitel öffentlicher Schuldner zugrunde gelegt.
- Daneben wird der Darlehensgeber ein angemessenes Entgelt für den mit der vorzeitigen Ablösung des Darlehens verbundenen Verwaltungsaufwand verlangen.
Ein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ist ausgeschlossen, wenn die Rückzahlung aus den Mitteln einer Versicherung bewirkt wird, die aufgrund einer entsprechenden Verpflichtung im Darlehensvertrag abgeschlossen wurde, um die Rückzahlung zu sichern oder im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind.
9. Mitteilungspflichten des Darlehensgebers bei beabsichtigter vorzeitiger Rückzahlung (§ 493 Abs. 5 BGB)
Wenn der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber mitteilt, dass er eine vorzeitige Rückzahlung des Darlehens beabsichtigt, wird ihm der Darlehensgeber unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger Auskunft über die Zulässigkeit der vorzeitigen Rückzahlung, im Fall der Zulässigkeit die Höhe des zurückzuzahlenden Betrages und gegebenenfalls die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung mitteilen. Soweit sich diese Informationen auf Annahmen stützen, müssen diese nachvollziehbar und sachlich gerechtfertigt sei und als solche dem Darlehensnehmer gegenüber offengelegt werden.“
Mit Schreiben vom 10.02.2020 (Bl. 53 GA) trat der Kläger an die Beklagte mit der Bitte heran, ihm eine detaillierte Abrechnung für das Darlehen zuzusenden. Mit Schreiben vom 09.03.2020 (Bl. 94 GA) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine vorzeitige Ablösung, ausgenommen bei Verkauf des Beleihungsobjekts, nicht möglich sei.
Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 12.06.2020 (Bl. 57 ff. GA) zeigte der Kläger gegenüber der Beklagten an, dass eine Veräußerung der finanzierten Immobilie erfolgen solle. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers führten aus, die von der Beklagten zwischenzeitlich mitgeteilte Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 15.218,48 € sei nicht geschuldet und eine etwaig zwischenzeitlich erfolgte Zahlung stehe unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Ferner forderten sie die Beklagte unter Fristsetzung auf den 26.06.2020 zu der Erklärung auf, dass keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangt werde und die Beklagte den Kläger von den Kosten ihrer Inanspruchnahme freistelle. Eine Kündigung des Darlehens durch den Kläger erfolgte nicht.
Mit Schreiben vom 18.08.2020 (Bl. 95 GA) zeigte das Notariat, … gegenüber der Beklagten die Veräußerung der finanzierten Immobilie an und bat um Übersendung der Löschungsbewilligung betreffend die zugunsten der Beklagten eingetragene Grundschuld sowie um Mitteilung etwaiger Forderungen, von denen die Übersendung der Löschungsunterlagen abhängig gemacht werde. Die Beklagte übersandte mit Schreiben vom 10.09.2020 (Bl. 96 f. GA) die Löschungsunterlagen und wies darauf hin, dass über diese nur verfügt werden dürfe gegen Zahlung eines Gesamtbetrags von 193.428,23 € zur Ablösung des streitgegenständlichen und eines weiteren Darlehens. Bei dem mitgeteilten Betrag war eine Vorfälligkeitsentschädigung für das streitgegenständliche Darlehen von 13.768,05 € berücksichtigt (vgl. Bl. 98 GA). In der Folge wurde der Kaufpreis in Höhe der von der Beklagten mitgeteilten Forderung an diese entrichtet.
Der Kläger hat behauptet, ausgehend von einer aktiven Ausreichung des Kapitals an andere Kunden belaufe sich die Vorfälligkeitsentschädigung auf lediglich 6.318,62 € bzw. ohne Berücksichtigung der Zinsmargenposition auf 4.832,61 €.
Er hat geltend gemacht, die Beklagte könne keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen, da die Angaben zur Berechnung unzureichend seien. Unterstellt, die Berechnung könne nach der „Aktiv-Passiv-Methode“ erfolgen, werde der falsche Eindruck erweckt, dass die Vorfälligkeitsentschädigung grundsätzlich bis zum Ende der Laufzeit des Darlehens berechnet werde, obschon die allein maßgebliche berechtigte Zinserwartung zu einem früher liegenden Zeitpunkt ende. Ferner hat der Kläger gerügt, es werde nicht darüber informiert, dass – unstreitig eingeräumte – Sondertilgungs- bzw. Tilgungsanpassungsrechte die berechtigte Zinserwartung beeinflussten. Zudem stelle die Beklagte hinsichtlich der Wiederanlagerendite wiederholt auf „Kapitalmarkttitel öffentlicher Schuldner“ ab, obschon richtigerweise die Rendite aus Hypothekenpfandbriefen zugrunde zu legen sei.
Dessen ungeachtet erscheine die Heranziehung der „Aktiv-Passiv-Methode“ heute nicht mehr gerechtfertigt und stehe zudem nicht in Einklang mit den Vorgaben der Wohnimmobilienkreditrichtlinie (2014/17/EU), die eine rein abstrakte Berechnung verbiete. Der Kläger hat insoweit eine Vorlage an den EuGH angeregt (Bl. 43 GA).
Den von der Beklagten behaupteten Aufhebungsvertrag hat der Kläger vorsorglich angefochten (Bl. 105 GA).
Der Kläger hat beantragt (Bl. 3, 164 GA),
1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.768,05 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.10.2020, hilfsweise seit Rechtshängigkeit, zu zahlen;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an die … R.-Versicherungs AG,, weitere 513,30 € als Nebenforderung zu zahlen, zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
Die Beklagte hat beantragt (Bl. 83, 163 GA),
die Klage abzuweisen.
Nach ihrer Ansicht war das notarielle Schreiben vom 18.08.2020 (Bl. 95 GA) als namens und in Vollmacht des Klägers unterbreitetes und von ihr angenommenes Angebot zur vorzeitigen Aufhebung des Darlehensverhältnisses unter Zahlung eines Vorfälligkeitsentgelts zu verstehen gewesen. Demgemäß stehe hier keine Vorfälligkeitsentschädigung, sondern ein (vertraglich vereinbartes) Vorfälligkeitsentgelt in Rede.
Ferner hat die Beklagte den Einwand der Verwirkung sowie der unzulässigen Rechtsausübung erhoben und geltend gemacht, der Kläger habe die Zahlung in Höhe von 13.768,05 € in Kenntnis der Nichtschuld geleistet.
Mit dem am 24.09.2021 verkündeten Urteil (Bl. 179 ff. GA) hat das Landgericht die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 13.768,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.01.2021 verurteilt. Zur Begründung hat es – soweit in der Berufung von Interesse – ausgeführt, bei dem gezahlten Betrag handele es sich entgegen der Annahme der Beklagten nicht um ein Vorfälligkeitsentgelt, sondern um eine Vorfälligkeitsentschädigung. Ein Anspruch der Beklagten auf die Vorfälligkeitsentschädigung sei indes gemäß § 500 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen. Die Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung seien fehlerhaft, da die Beklagte für die Wiederanlagerendite auf Kapitalmarkttitel öffentlicher Schuldner abhebe, wohingegen ihr nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine Wiederanlage in Hypothekenpfandbriefen zumutbar sei. Dahinstehen könne damit, ob ein weiterer Fehler daraus folge, dass die von der Beklagten angegebene Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens nicht dem Zeitraum der rechtlich geschützten Zinserwartung entspreche. Die Beklagte könne dem Anspruch weder § 814 BGB noch den Einwand der Verwirkung oder der unzulässigen Rechtsausübung entgegenhalten. Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils Bezug.
Die Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt.
Primär bleibt sie bei ihrer Einschätzung, der Kläger habe den nunmehr zurückverlangten Betrag als zwischen den Parteien vereinbartes Vorfälligkeitsentgelt gezahlt.
Hilfsweise beruft sie sich darauf, dass die vertraglichen Angaben zur Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung ausreichend gewesen seien. Sie macht geltend, es gebe keine verbindliche Vorgabe des Bundesgerichtshofs, welche Art von Wiederanlagetitel als Berechnungsgrundlage anzunehmen sei, verlangt werde lediglich eine „sichere Anlage“. Die von ihr angegebene Berechnungsmethode sei nicht falsch, da es sich auch bei Hypothekenpfandbriefen jedenfalls um „Kapitalmarkttitel“ handele und sich Pfandbriefe zudem auch auf öffentliche Schuldner beziehen könnten. Die Auffassung des Landgerichts zugrunde gelegt, müsste sie konsequenterweise die Rechtsprechung jeweils auf etwaige Änderungen der Vorgaben zur Berechnungsmethode im Blick haben, was ihr nicht zuzumuten sei. Die Vertragsangaben zur Laufzeit des Darlehens erachtet die Beklagte als zutreffend.
Die Beklagte hält den Einwand der Verwirkung und der unzulässigen Rechtsausübung aufrecht.
Die Beklagte beantragt (Bl. 239, 335 GA), unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 24.09.2021, 1 O 363/20, die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt (Bl. 264, 335 GA),
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschrift des Landgerichts vom 20.08.2021 (Bl. 163 ff. GA) sowie auf das Urteil des Landgerichts vom 24.09.2021 (Bl. 179 ff. GA) und die Sitzungsniederschrift des Senats vom 15.12.2022 (Bl. 334 f. GA) Bezug genommen.
Update vom 07.09.2019:
Leider teilt der BGH die sogleich dargestellte Ansicht des Landgerichts Ravensburg nicht. Mit kürzlich veröffentlichtem Beschluss vom 09.04.2019 (Az.: XI ZR 511/18) führt er aus, dass eine unwirksame Regelung zu einer Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis für die Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsbelehrung ohne Auswirkung bleibt.
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat in einer nunmehr veröffentlichten Entscheidung vom 22.08.2018 (Aktenzeichen: 3 U 145/17) eine häufig verwendete Widerrufsinformation der Sparda-Bank als unwirksam angesehen, in der diese ihre Kunden mit zwei unterschiedlichen Widerrufsfristen verwirrt hat.
Zunächst hat das OLG Franfurt allgemein klargestellt, welchen Anforderungen eine WIderrufsinformation genügen muss:
Die Widerrufsbelehrung war nämlich fehlerhaft. Nach § 360 Abs. 1 Satz 1 BGB muss die Widerrufsbelehrung nämlich deutlich gestaltet sein und dem Verbraucher entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels seine wesentlichen Rechte deutlich machen, nämlich nach § 360 Abs. 1 Satz 2 BGB, insbesondere durch einen Hinweis auf die Dauer und den Beginn der Widerrufsfrist. Ziel dieser Vorschrift ist es, den regelmäßig rechtsunkundigen Verbraucher über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren, damit der Verbraucher über die sich daraus ergebende Berechnung ihres Ablaufs nicht im Unklaren ist. Der mit der Einräumung des befristeten Widerrufsrechts beabsichtigte Schutz des Verbrauchers erfordert eine möglichst umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis des Verbrauchers eindeutige Belehrung (vgl. BGHZ 172, 58, Tz 13; WM 2009, 932, Tz 14; Urteil vom 09.12.2009, VIII ZR 219/08 - juris Tz 12). Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Er ist deshalb sowohl über den Beginn als auch die Dauer der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren. Um die vom Gesetz bezweckte Verdeutlichung des Rechts zum Widerruf nicht zu beeinträchtigen, darf die Widerrufsbelehrung grundsätzlich keine anderen Erklärungen enthalten (BGH, Urteil vom 13.01.2009, XI ZR 509/07 - juris Tz. 12). Zulässig sind zu diesem Zweck allerdings Ergänzungen, die ihren Inhalt verdeutlichen (BGH WM 2002, 1989 [BGH 04.07.2002 - I ZR 55/00]). Für die Beurteilung der Unmissverständlichkeit ist auf die Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Verbrauchers abzustellen (BGH, Urteil vom 10.03.2009 a.a.O. Tz. 16; Urteil vom 09.12.2009 a.a.O. Tz. 14).
Diesen Anforderungen genügte nach Ansicht der OLG Frankfurt die von der Sparda Bank verwendete Belehrung nicht:
Sie belehrt die Kläger entgegen § 360 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BGB a. F. über die Dauer der Widerrufsfrist nicht richtig. Dementsprechend ist sie auch nicht unmissverständlich. Denn die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung enthält zwei unterschiedliche Widerrufsfristen. Einerseits heißt es einleitend noch zutreffend, dass der Darlehensnehmer seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform widerrufen kann. In der vorletzten Zeile des zweiten Absatzes ist jedoch eine Widerrufsfrist von einem Monat genannt. Dies widerspricht dem Deutlichkeitsgebot und kann bei einem durchschnittlich verständlichen Verbraucher zu einer Verwirrung führen. Denn es ergibt sich aus der verwendeten Widerrufsbelehrung nicht eindeutig, dass sich die Monatsfrist nur auf eine nachträgliche Information über fehlende Pflichtangaben bezieht. Anders als die Musterbelehrung nach der Anlage 6 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB fehlt dort vor dem Wort "einen" das Wort "dann", was verdeutlichen würde, dass die Monatsfrist nur in diesem Fall gilt. Da die Beklagte diesen Zusatz weggelassen hat, ist einem durchschnittlichen Verbraucher bei unbefangenem Lesen der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung nicht klar, dass die Monatsfrist nur in dem Fall der nachträglichen Information über Pflichtangaben gilt. Der Senat verkennt dabei nicht, dass die Nennung der zweiten Frist im räumlichen Zusammenhang mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Nachholung der Pflichtangaben steht. Daraus und der Trennung des Halbsatzes durch ein Semikolon folgt aber nicht hinreichend deutlich, dass sich die zweite Frist nur auf die Nachholung der Pflichtangaben bezieht. Für den Senat verbleiben aus der Sicht des durchschnittlichen Verbrauchers die aufgezeigten Unklarheiten. Solche Unklarheiten gehen aber zu Lasten der Beklagten.
Auf die Gesetzlichkeitsvermutung nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB a. F. kann sich die Beklagte nicht berufen. Denn, wie zuvor ausgeführt, hat sie eine der Anlage 6 zu Art. 247 § 6 EGBGB entsprechende Widerrufsinformation nicht erteilt. Anstelle des Musters fehlt das Wort "dann" vor den Worten "einen Monat". Dies ist aus den vorgenannten Gründen keine marginale, sondern eine sinnentfremdende Abweichung von dem Muster, so dass es dahinstehen kann, ob über Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 4 EGBGB hinaus von dem Text des Musters nicht nur in Format und Schriftgröße abgewichen werden darf.
Folge des Widerrufs ist, dass die Kläger nicht mehr in ihrer auf den Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen gebunden sind (§ 355 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F.) und die Verbraucherdarlehensverträge nach §§ 346 ff., 357 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F. rückabzuwickeln sind. Dies bedeutet zugleich, dass die für die Zeit nach Erklärung des Widerrufs erfolgten Zahlungen kein Rechtsgrund mehr bestand. Der Anspruch der Kläger ist jedoch durch die seitens der Beklagten hilfsweise erklärten Aufrechnung mit ihrem Anspruch auf Rückzahlung der Darlehensvaluta zuzüglich ihres Nutzungsersatzanspruchs in Höhe des vereinbarten Zinssatzes offensichtlich erloschen. Wie sich aus dem Hilfsantrag zu a) ergibt, stellen die Kläger die Verpflichtung zur Rückzahlung von Darlehensvaluta in Höhe von 185.000,00 EUR unstreitig. Zusammen mit dem Anspruch auf Rückzahlung der erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen von 88.000,00 EUR übersteigt dieser Betrag offensichtlich auch den weitergehenden Betrag von 17.000,00 EUR. Da nach § 389 BGB die gegenseitigen Ansprüche in dem Zeitpunkt erloschen sind, in dem sie jeweils erstmals fällig waren, können die Kläger denklogisch keinen Anspruch auf Zahlung von Zinsen aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB haben. Denn ihr jeweiliger Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB erlosch nach § 389 BGB bereits mit der jeweiligen Zahlung.
Mit Beschluss vom 03.07.2018 (Aktenzeichen: XI ZR 758/17) hat der BGH klargestellt, dass die Abbedinungung von § 193 BGB in den AGBs der Banken (vielfach verwendet von den Raiffeisen- und Volksbanken sowie der Sparda-Bank) nicht zu einer Widerrufsmöglichkeit des Verbraucherdarlehensvertrages führt. Wörtlich führte der BGH aus:
"Die in Nummer 26 der „Allgemeine Bedingungen für Kredite und Darlehen“ der Beklagten enthaltene Abbedingung des § 193 BGB beeinträchtigt die Ordnungsgemäßheit der Widerrufsinformation nicht. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbs. 2 ZPO abgesehen."
Ziffer 26 der noch im Jahr 2011 häufig verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen wies folgenden Wortlaut auf:
Abbedingung von § 193 BGB: Die Parteien bedingen die Regel des § 193 BGB ab, wonach dann, wenn an einem bestimmten Tag oder innerhalb einer Frist eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken ist und der bestimmte Tag oder der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen am Erklärung- oder Leistungsort staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend fällt, an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag tritt. Durch das Abbedingen dieser Regelung kann beispielsweise die Fälligkeit einer Rate auch an einem allgemeinen Feiertag, einem Sonnabend oder einem Sonntag eintreten.
Das Landgericht Düsseldorf hatte in einer Entscheidung vom 15.12.2017 (Az.: 10 O 143/17 = WM 2018, 1179) noch folgendes herausgearbeitet und damit Verträge als widerruflich angesehen:
„38
bb) Der Beginn der Widerrufsfrist und die ordnungsgemäße Belehrung setzen gemäß §§ 355, 495 Abs. 2 Nr. 1 BGB a. F. (u. a.) voraus, dass dem Verbraucher die Pflichtangabe nach Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a. F., welche an die Stelle der Widerrufsbelehrung tritt, in Textform mitgeteilt worden ist. Gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1 EGBGB a. F. müssen im Vertrag Angaben zur Frist und anderen Umständen für die Erklärung des Widerrufs sowie ein Hinweis auf die Verpflichtung des Darlehensnehmers enthalten sein, ein bereits ausbezahltes Darlehen zurückzuzahlen und Zinsen zu vergüten.
39
Diesen Anforderungen genügt die der Klägerin erteilte Widerrufsinformation nicht, weil die Fristangaben im Vertrag nicht ordnungsgemäß sind. Denn sowohl die unter Ziffer 11. des Vertrags („Widerrufsinformation“) zunächst zutreffend mit „14 Tagen“ angegebene Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 1 BGB a. F. als auch die 30-tägige Frist für die Verpflichtung zur Erstattung von Zahlungen gemäß § 357 Abs. 1 BGB a. F. i. V. m. § 286 Abs. 3 BGB (in der vom 01.01.2002 bis 28.07.2014 gültigen Fassung) werden in der Zusammenschau mit der Regelung in Ziffer 26 der Allgemeinen Bedingungen unzutreffend dargestellt.
40
(1) Zwar müssen die Modalitäten der Fristberechnung vom Darlehensgeber nicht angegeben werden (vgl. BGH, Urteil vom 23.09.2010, VII ZR 6/10, Rn. 26). Wenn hierzu jedoch Angaben gemacht werden, müssen diese – was hier nicht der Fall ist – die Rechtslage zutreffend wiedergeben.
41
(2) Die Bestimmung in Ziffer 26 Satz 1 der Allgemeinen Bedingungen, mit der die Regelung des § 193 BGB generell, d. h. für sämtliche Fristen, abbedungen wird, verkürzt unzulässigerweise sowohl die 14-tägige Widerrufsfrist als auch die 30-tägige Rückgewährfrist. Eine Einschränkung dahingehend, dass die Bestimmung für die vorgenannten Fristen nicht gelte, lässt sich deren Wortlaut nicht entnehmen. Dieser wird auch durch die Erläuterung eines Beispiels (Fälligkeit der Ratenzahlung) nicht einschränkt […].
42
Gemäß § 193 BGB tritt an die Stelle des letzten Tages einer Frist der nächste Werktag, wenn der letzte Tag der Frist für die Abgabe einer Willenserklärung oder die Bewirkung einer Leistung auf einen Sonntag, einen am Erklärungs- oder Leistungsort staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend fällt. Wird diese Regelung abbedungen, können sich die Fristen gegenüber den gesetzlich bestimmten unter Umständen um mehrere Tage verkürzen. Wenn z. B. das kalendarische Fristende auf den Karfreitag fällt, kann der Darlehensnehmer zwar die Widerrufserklärung noch an diesem Tag absenden (§ 355 Abs. 1 S. 2 letzter Hs. BGB a. F.); nach der gesetzlichen Regelung hätte er hierzu aber bis zum darauf folgenden Dienstag (nach Ostermontag) Zeit.
43
Daraus, dass für die Rechtzeitigkeit des Widerrufs die rechtzeitige Absendung genügt (§ 355 Abs. 1 S. 2 letzter Hs. BGB a. F.), folgt nicht, dass § 193 BGB bei der Berechnung der Widerrufsfrist nicht anzuwenden wäre. Als actus contrarius der Vertragserklärung teilt der Widerruf deren Rechtsnatur als Willenserklärung. „Abgabe“ einer Willenserklärung bedeutet, dass der Erklärende seinen rechtsgeschäftlichen Willen geäußert hat (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl., § 130 Rn. 4 m. w. N.). Hierfür genügt das Absenden eines Schriftstücks, in dem der Widerruf erklärt wird. Dementsprechend wird auch in der Kommentarliteratur bei der Berechnung der Widerrufsfrist § 193 BGB für anwendbar gehalten (vgl. Fritsche, in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auf., § 355 Rn. 47; Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 355 Rn. 11).
44
Es ist auch nicht zulässig, die Regelung des § 193 BGB in Bezug auf das Widerrufsrecht und dessen Rechtsfolgen abzubedingen. Denn die verbraucherschützenden Vorschriften über das Widerrufsrecht sind sog. halbzwingendes Recht, d. h. dass lediglich zugunsten des Verbrauchers von ihnen abgewichen werden darf. Mit dem am 13.06.2014 in Kraft getretenen § 361 Abs. 2 BGB hat der Gesetzgeber diese halbzwingende Wirkung lediglich deklaratorisch festgestellt (vgl. BGH, Urteil vom 15.05.2014, III ZR 368/13, Rn. 35 f.; Urteil vom 21.02.2017, XI ZR 381/16, Rn. 17).
Das LG Düsseldorf hat in einer nunmehr veröffentlichten Entscheidung (Az.: 10 O 143/17) einen neuen Fehler in den Widerrufsinformationen herausgearbeitet: Eine Abbedingung von § 193 BGB in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen verkürzt unzulässigerweise sowohl die 14-tägige Widerrufsfrist als auch die 30-tägige Rückgewährfrist.
Zur Begründung führte das Landgericht Düsseldorf u.a. aus:
Der Darlehensvertrag enthält unter Ziffer 11. eine "Widerrufsinformation" [...] und auf S. 7 folgenden Absatz:
"Die beigehefteten Allgemeinen Bedingungen für Kredite und Darlehen sind Bestandteil dieses Vertrags."
Die der Vertragsurkunde beigehefteten "Allgemeinen Bedingungen für Kredite und Darlehen" (im Folgenden: Allgemeine Bedingungen) enthalten u. a. folgende Bestimmungen:
26 Abbedingung von § 193 BGB: Die Parteien bedingt die Regel des § 193 BGB ab, wonach dann, wenn an einem bestimmten Tag oder innerhalb einer Frist eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken ist und der bestimmte Tag oder der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen am Erklärung- oder Leistungsort staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend fällt, an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag tritt. Durch das Abbedingen dieser Regelung kann beispielsweise die Fälligkeit einer Rate auch an einem allgemeinen Feiertag, einem Sonnabend oder einem Sonntag eintreten.
[...]
Der Beginn der Widerrufsfrist und die ordnungsgemäße Belehrung setzen gemäß §§ 355, 495 Abs. 2 Nr. 1 BGB a. F. (u. a.) voraus, dass dem Verbraucher die Pflichtangabe nach Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB a. F., welche an die Stelle der Widerrufsbelehrung tritt, in Textform mitgeteilt worden ist. Gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1 EGBGB a. F. müssen im Vertrag Angaben zur Frist und anderen Umständen für die Erklärung des Widerrufs sowie ein Hinweis auf die Verpflichtung des Darlehensnehmers enthalten sein, ein bereits ausbezahltes Darlehen zurückzuzahlen und Zinsen zu vergüten.
Diesen Anforderungen genügt die der Klägerin erteilte Widerrufsinformation nicht, weil die Fristangaben im Vertrag nicht ordnungsgemäß sind. Denn sowohl die unter Ziffer 11. des Vertrags ("Widerrufsinformation") zunächst zutreffend mit "14 Tagen" angegebene Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 1 BGB a. F. als auch die 30-tägige Frist für die Verpflichtung zur Erstattung von Zahlungen gemäß § 357 Abs. 1 BGB a. F. i. V. m. § 286 Abs. 3 BGB (in der vom 01.01.2002 bis 28.07.2014 gültigen Fassung) werden in der Zusammenschau mit der Regelung in Ziffer 26 der Allgemeinen Bedingungen unzutreffend dargestellt.
(1) Zwar müssen die Modalitäten der Fristberechnung vom Darlehensgeber nicht angegeben werden (vgl. BGH, Urteil vom 23.09.2010, VII ZR 6/10, Rn. 26). Wenn hierzu jedoch Angaben gemacht werden, müssen diese - was hier nicht der Fall ist - die Rechtslage zutreffend wiedergeben.
(2) Die Bestimmung in Ziffer 26 Satz 1 der Allgemeinen Bedingungen, mit der die Regelung des § 193 BGB generell, d. h. für sämtliche Fristen, abbedungen wird, verkürzt unzulässigerweise sowohl die 14-tägige Widerrufsfrist als auch die 30-tägige Rückgewährfrist. Eine Einschränkung dahingehend, dass die Bestimmung für die vorgenannten Fristen nicht gelte, lässt sich deren Wortlaut nicht entnehmen. Dieser wird auch durch die Erläuterung eines Beispiels (Fälligkeit der Ratenzahlung) nicht einschränkt (a. A. ohne nachvollziehbare Begründung LG Memmingen, Urteil vom 09.11.2017, 34 O 577/17, zitiert nach Anlage B 4).
Gemäß § 193 BGB tritt an die Stelle des letzten Tages einer Frist der nächste Werktag, wenn der letzte Tag der Frist für die Abgabe einer Willenserklärung oder die Bewirkung einer Leistung auf einen Sonntag, einen am Erklärungs- oder Leistungsort staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend fällt. Wird diese Regelung abbedungen, können sich die Fristen gegenüber den gesetzlich bestimmten unter Umständen um mehrere Tage verkürzen. Wenn z. B. das kalendarische Fristende auf den Karfreitag fällt, kann der Darlehensnehmer zwar die Widerrufserklärung noch an diesem Tag absenden (§ 355 Abs. 1 S. 2 letzter Hs. BGB a. F.); nach der gesetzlichen Regelung hätte er hierzu aber bis zum darauf folgenden Dienstag (nach Ostermontag) Zeit.
Daraus, dass für die Rechtzeitigkeit des Widerrufs die rechtzeitige Absendung genügt (§ 355 Abs. 1 S. 2 letzter Hs. BGB a. F.), folgt nicht, dass § 193 BGB bei der Berechnung der Widerrufsfrist nicht anzuwenden wäre. Als actus contrarius der Vertragserklärung teilt der Widerruf deren Rechtsnatur als Willenserklärung. "Abgabe" einer Willenserklärung bedeutet, dass der Erklärende seinen rechtsgeschäftlichen Willen geäußert hat (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl., § 130 Rn. 4 m. w. N.). Hierfür genügt das Absenden eines Schriftstücks, in dem der Widerruf erklärt wird. Dementsprechend wird auch in der Kommentarliteratur bei der Berechnung der Widerrufsfrist § 193 BGB für anwendbar gehalten (vgl. Fritsche, in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auf., § 355 Rn. 47; Palandt/Grüneberg, a. a. O., § 355 Rn. 11).
Es ist auch nicht zulässig, die Regelung des § 193 BGB in Bezug auf das Widerrufsrecht und dessen Rechtsfolgen abzubedingen. Denn die verbraucherschützenden Vorschriften über das Widerrufsrecht sind sog. halbzwingendes Recht, d. h. dass lediglich zugunsten des Verbrauchers von ihnen abgewichen werden darf. Mit dem am 13.06.2014 in Kraft getretenen § 361 Abs. 2 BGB hat der Gesetzgeber diese halbzwingende Wirkung lediglich deklaratorisch festgestellt (vgl. BGH, Urteil vom 15.05.2014, III ZR 368/13, Rn. 35 f.; Urteil vom 21.02.2017, XI ZR 381/16, Rn. 17).
(3) Die Allgemeinen Bedingungen sind vorliegend Vertragsbestandteil geworden. Denn sie waren der Vertragsurkunde unstreitig beigeheftet und damit durch die Bezugnahme über der Unterschriftszeile der Klägerin in den Vertrag einbezogen (vgl. BGH, Urteil vom 04.07.2017, XI ZR 741/16, Rn. 25 ff.). Zwar dürfte die Bestimmung in Ziffer 26 wegen des Verstoßes gegen halbzwingendes Recht der Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 und 2 BGB nicht standhalten. Dies vermag die Beklagte jedoch nicht zu entlasten, weil der durchschnittliche, juristisch nicht vorgebildete Verbraucher die Unwirksamkeit der Klausel nicht erkennen kann.
(4) Soweit die Beklagte sich in einem Umkehrschluss aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21.02.2017 (XI ZR 381/16) darauf beruft, dass ein etwaiger Belehrungsfehler angesichts des in Textform dokumentierten Datums des Vertragsschlusses nicht kausal geworden sei, unterliegt sie einem Missverständnis der angeführten Entscheidung.
Hiernach schließt die gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a. F. vorgeschriebene Textform es aus, den Inhalt einer Widerrufsbelehrung anhand des nicht in Textform dokumentierten gemeinsamen Verständnisses der Parteien nach Maßgabe der besonderen Umstände ihrer Erteilung zu präzisieren (BGH, a. a. O., Rn. 16 f.). Abgesehen davon, dass der für den Beginn der Widerrufsfrist - neben dem Vertragsschluss - maßgebliche Zeitpunkt, in dem der Klägerin die für sie bestimmte Ausfertigung der - die Pflichtangaben enthaltenden - Vertragsurkunde zur Verfügung gestellt wurde, nicht in Textform dokumentiert ist, stützt die Beklagte ihren Einwand tatsächlich gar nicht auf ein abweichendes gemeinsames Verständnis der Widerrufsbelehrung durch die Vertragsparteien, sondern darauf, der Belehrungsfehler sei in der konkreten Situation nicht kausal geworden. Auf die Kausalität des Belehrungsfehlers kommt es indessen nicht an. Entscheidend ist nur, ob die Belehrung durch ihre missverständliche Fassung objektiv geeignet ist, den Verbraucher von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten (BGH, a. a. O., Rn. 18 m. w. N.).
Das ist hier der Fall. Durch die verkürzte Darstellung der Widerrufsfrist kann der Verbraucher zu der Fehlvorstellung verleitet werden, die Widerrufsfrist sei bereits abgelaufen, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall ist. Auch die verkürzte Darstellung der Rückgewährfrist ist potentiell geeignet, den Verbraucher vom Widerruf abzuhalten, weil er hinsichtlich der Beschaffung der zur Erfüllung seiner Zahlungspflichten erforderlichen Mittel einem gegenüber der gesetzlichen Regelung erhöhten Zeitdruck ausgesetzt wird. Jedenfalls insoweit geht der Einwand der Beklagten von vornherein fehl, weil der Zeitpunkt der Widerrufserklärung nicht in Textform dokumentiert ist und sein kann.
(5) Ohne Bedeutung ist nach Auffassung der Kammer, dass der unzulässige Zusatz zur Fristberechnung nicht in dem mit "Widerrufsinformation" bezeichneten Abschnitt (Ziffer 11. der eigentlichen Vertragsurkunde), sondern an anderer Stelle (Ziffer 26 der Allgemeinen Bedingungen) enthalten ist.
Denn der Verbraucher hat auch sonst den Vertrag einschließlich der Allgemeinen Bedingungen als Ganzes zu lesen, um den Beginn der Widerrufsfrist ermitteln zu können. Soweit die Beklagte in der Widerrufsinformation unter Ziffer 11. nach der Angabe "§ 492 Abs. 2 BGB" in einem Klammerzusatz "Pflichtangaben" aufgeführt hat, bei denen es sich tatsächlich nicht um Pflichtangaben bei Immobiliardarlehensverträgen handelte (Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags und zu der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde), machten die Parteien wirksam die bei Immobiliardarlehensverträgen entbehrlichen Angaben nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 5 EGBGB a. F. in der für gesetzliche Pflichtangaben vorgeschriebenen Form zur zusätzlichen Voraussetzung für das Anlaufen der Widerrufsfrist (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2016, XI ZR 434/15, Rn. 29 f.). Diese vertraglichen "Pflichtangaben" hat die Beklagte - zulässigerweise (vgl. BGH, Urteil vom 04.07.2017, XI ZR 741/16, Rn. 25 ff.) - in den Allgemeinen Bedingungen (Ziffern 11 und 27) erteilt, wobei die Angabe zu der zuständigen Aufsichtsbehörde (Ziffer 27) sogar in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit der Regelung zur Abbedingung des § 193 BGB (Ziffer 26) steht.
(6) Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.10.2017 (XI ZR 443/16, Rn. 25). Darin hat der 11. Zivilsenat in einem - zum Leitsatz erhobenen - obiter dictum unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des 4. Zivilsenats (BGH, Urteil vom 16.12.2015, IV ZR 71/14, Rn. 11) ausgeführt, dass eine formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen genügende Widerrufsbelehrung nicht dadurch undeutlich werde, dass die Vertragsunterlagen an anderer drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthielten.
Zum einen erging die vorstehend zitierte Entscheidung des 11. Zivilsenats zu einem im Jahre 2007 geschlossenen Darlehensvertrag und damit zu einer von den hier maßgeblichen Vorschriften abweichenden Rechtslage: Während § 355 Abs. 2 BGB in der vom 08.12.2004 bis 10.06.2010 gültigen Fassung bestimmte, dass die Widerrufsfrist mit der Mitteilung einer deutlich gestalteten "Widerrufsbelehrung", die u. a. einen Hinweis auf den Fristbeginn enthalten musste, beginnt, war nach dem im Streitfall maßgeblichen Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1 EGBGB a. F. - wie oben dargestellt - die Widerrufsinformation dergestalt zu erteilen, dass die Angaben zur Frist "im Vertrag" enthalten sein mussten.
Zum anderen betraf die vom 11. Zivilsenat als Referenz herangezogene Entscheidung des 4. Zivilsenats eine andere Fallgestaltung, in der einem Versicherungsnehmer zwei hinsichtlich der Fristlänge unterschiedliche, einander widersprechende Widerspruchsbelehrungen erteilt wurden. Die insoweit vom 4. Zivilsenat herangezogene Erwägung, der Versicherer hätte sich zugunsten des Versicherungsnehmers an der längeren (gesetzlichen) Frist festhalten lassen müssen, innerhalb dieser Frist habe der Versicherungsnehmer den Widerspruch jedoch nicht erklärt, lässt sich für den vorliegenden Fall (und wohl auch für den vom 11. Zivilsenat entschiedenen Fall) nicht fruchtbar machen. Denn es sind nicht zwei unterschiedliche Informationen angegeben, von denen eine richtig und die andere falsch ist; vielmehr wird die Darstellung der Widerrufsfrist durch einen unzulässigen Zusatz zu Lasten des Verbrauchers modifiziert. Abgesehen davon hätte die Kammer - ohne dass es hier darauf ankommt - Bedenken, dem Verbraucher aufzubürden, den auf § 242 BGB beruhenden Schluss, dass sich der Unternehmer an der für den Verbraucher günstigeren Regelung festhalten lassen muss, selbst ziehen zu müssen. Die weitere Erwägung des 4. Zivilsenats, der Versicherungsnehmer habe den Widerspruch auch innerhalb der längeren Frist nicht erklärt, konfligiert zudem mit der - oben unter II. 3. b) bb) (4) dargestellten - Rechtsprechung des 11. Zivilsenats, weil sie letztlich auf die fehlende Kausalität des Belehrungsfehlers für den unterlassenen Widerspruch abstellt.
Schließlich erscheint die Wertung des 11. Zivilsenats in der Entscheidung vom 10.10.2017 (XI ZR 443/16, Rn. 25) - wollte man sie, wozu die Formulierung als Leitsatz verleiten könnte, verallgemeinern - in ihren Konsequenzen zu weitgehend. Da einem Verbraucher - wie oben unter II. 3. b) bb) (5) dargestellt - nach der hier maßgeblichen Rechtslage zugemutet wird, den ganzen Vertragsinhalt zu lesen, kann es insbesondere nicht darauf ankommen, ob ein objektiv irreführender Zusatz "drucktechnisch hervorgehoben" ist oder nicht. Um zu prüfen, ob und wann die Widerrufsfrist begonnen hat, hat der Verbraucher auch die nicht drucktechnisch hervorgehobenen Bestimmungen - hier vor allem diejenigen in den Ziffern 11 und 27 der Allgemeinen Bedingungen - sorgfältig zu lesen. Anderenfalls könnte ein Darlehensgeber theoretisch das Widerrufsrecht, über das er in einer "Widerrufsinformation" zunächst zutreffend informiert hat, in einer drucktechnisch nicht hervorgehobenen - freilich unwirksamen - Klausel gänzlich ausschließen, ohne dass dies Konsequenzen für die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsinformation hätte.